Oberösterreichischer Volkskalender 1928

in Schattendorf auch noch fünf Mitglieder des Republikanischen Schutz– bundes verletzt. Daß durch diesen neuerlichen Hakenkreuzlermord die Erregung der Arbeiterschaft Oesterreichs eine gewaltige war, ist begreiflich. Die Genos– ·sen B i r n e c k e r, S t i 11, K o w a r i k und Mü 11 e r waren von Haken– kreuzlern gemordet, und nun wurden die Opfer faschistischer Mordbuben um weitere zwei vermehrt. An allen Orten, und besonders in Wien, fanden stürmische Kundgebungen gegen den Arbeitermord in Schattendorf statt und am Mittwoch, den 2. Februar, am Tage der Beerdigung der Schatten– dorfer Blutopfer, setzte in allen Betrieben und Verkehrszentren Oester– reichs ein viertelstündiger Proteststreik ein. Im Nationalrate ver– dammten die sozialdemokratischen Abgeordneten den Hakenkreuzmord auf das schärfste und forderten die strengste Bestrafung der Mörder. Am 5. Juli 1927 begann vor dem Schwurgerichte des Landes– gerichtes 2 in Wien die Verhandlung gegen die Schattendorfer Arbeiter– Mörder. Angeklagt waren die Wirtssöhne Josef und Hieronymus T schar– m a n n und der Müllerbursche Johann P in k er wegen Verbrechens der ö f f e n t 1i c h e n G e w a 1t t ä t i g k e i t durch boshafte Handlungen unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 87 St.-G. Die Anklage legte ihnen zur Last, daß sie als Mittäter im gemeinsamen Einverständnis aus einem auf die Ortsstraße mündenden Fenster des Tscharmannschen Wohnhauses auf vorbeiziehende Mitglieder des Republikanischen Schutz– bundes wiederholt S c h ü s s e a u s J a g d g e w e h r e n a b f e u e r t e n, wodurch fünf Personen, und zwar Josef Hart in g, Alois Sc h m i e d 1, Josef Wagner, Martin G r ö s sing und Jakob S t r o mm er, verletzt, der Kriegsinvalide Matthias Cs m a r i t s und der achtjährige Landwirt– sohn Josef G r ö s s in g getötet worden sind. Nach neuntägiger Verhand– lung wurde den Geschworenen eine Hauptfrage lautend auf das V e r– b r e c h e n der ö f f e n t 1i c h e n G e w a 1 t t ä t i g k e i t, begangen unter besonders erschwerenden Umständen, eine Eventualfrage auf das V e r b r e c h e n der s c h w e r e n k ö r p e r 1i c h e n B e s c h ä d i– g u n g und eine zweite Eventualfrage auf V e r g e h e n g e g e n d i e k ö r p e r 1i c h e S i c h e r h e i t vorgelegt. Trotzdem die Schuld der Angeklagten im Laufe des Verfahrens klar bewiesen wurde, trotzdem ein– wandfrei festgestellt wurde, daß die Angeklagten sich schon vor der Ver– sammlung Munition und Gewehre zurechtgelegt hatten, und daß sie ohne allen Grund unter die Menge geschossen haben, v e r n e i n t e n die Ge– schworenen sä m t 1ich e Sc h u 1d fragen, worauf der Frei– s p r u c h der drei Angeklagten erfolgte. Nichts geschah also den drei Angeklagten, die am 30. Jänner in Schattendorf in eine Menschenmenge hineingeschossen, mit vollem Vorsatz die todbringenden Schüsse auf Men– schen abgefeuert haben, die zwei Menschenleben vernichtet und fünf Menschen verletzt haben, nichts ist ihnen geschehen, kein Haar ward ihnen gekrümmt! Dieser Freispruch ist ein Schandfleck in den Annalen der Justiz! Der abgrundtiefe Haß gegen die Arbeiterschaft kam in diesem Geschworenen -Verdikt blutig zum Ausdrucke. Der Freispruch löste begreiflicherweise unter der gesamten Arbeiter– schaft Oesterreichs ungeheure Erregung aus. In W i e n demonstrierten die in ihrem Rechtsempfinden schwer erschütterten Arbeiter am 15. Juli vormittags spontan und ohne jedwede Vorbereitung gegen das Urteil im Schattendorfer Prozesse. Da geschah das Entsetzliche: Die Bundes– p o 1 i z e i, angeführt und aufgehetzt von reaktionären Offizieren, schoß blindlings auf die wehrlose, nichtsahnende Menge; ja selbst F l i eh e n- 37

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