Oberösterreichischer Volkskalender 1928

men; die sozialdemokratische Stimmenzahl in ganz Oesterreich hat sich also um mehr a 1s ein Sechste 1 g es teig er t! Auf Grund dieses Wahlergebnisses zogen in das neue Parlament 73 Christlichsoziale (früher 82), 71 Sozialdemokraten (früher 68), 12 Großdeutsche (früher 10) und 9 Landbündler (früher 5) ein. Seipel hat durch seine „Einheitsliste" an die Großdeutschen auf Kosten der Christlichsozialen Mandate obendrein abgeben müssen. So sah der „Sieg" Seipels aus, der mit einer Fanfaronade in den Wahlkampf zog und denselben mit einer Schamade endete ..... Der 30. Jänner, der 15. und 16. Juli 1927 werden für die werktätige Bevölkerung Oesterreichs für immerwährende Zeiten in schrecklicher Erinnerung bleiben. Für Sonntag, den 30. Jänner 1927, wurde von der s o z i a 1d e m o k r a t i s c h e n P a r t e i in S c h a t t e n d o r f (Burgen– land) für 4 Uhr nachmittags in Mo s e r s Gasthaus eine Volksversammlung einberufen. Vormittags wurde im selben Orte in T s c h a r m a n n s Gast– haus eine F r o n t k ä m p f er ver s a mm 1u n g abgehalten. Bereits einige Tage vorher erklärten die Frontkämpfer, daß sie es den Sozi einmal ,,zeigen" werden. Die Genossen in Schattendorf ersuchten die Schutzbund– gruppen der Nachbarschaft, bei der Versammlung zu erscheinen, um vor Gefahren geschützt zu sein; dies geschah auch. Als um halb 2 Uhr die Schutzbündler beim Gasthaus Tscharmann vorübergehen wollten, ging ein Teil derselben in das Gasthaus, um sich Erfrischungen zu kaufen. Auf einmal gab der bekannte Frontkämpfer Josef T schar man n aus einem Jagdgewehr im Nebenraum zwei scharte Schüsse ab. Der Schutzbündler bemächtigte sich ungeheure Erregung und es gelang den Vertrauensmän– nern nur mit Mühe, Tätlichkeiten hintanzuhalten. Die Schutzbündler zogen von Tscharmanns Gasthaus zum Bahnhof und besetzten dort die Haupt– straße nach Schattendorf, um schon außerhalb des Ortes zu hindern, daß Frontkämpfer nach Schattendorf kommen. Mit dem Zug und aus der Gegend von Loipersbach kamen tatsächlich Frontkämpfer angerückt, es kam zu einer Schlägerei, bei der nicht geschossen und auch niemand ver– letzt wurde. Mittlerweile begann um zirka ¾4 Uhr nachmittags die ange– kündigte Volksversammlung, in der Genosse Friedrich Hofmann aus Wien über die politische Lage zu den erschienenen Frauen und Männern sprach. Die Kinder eines Teiles der in der Versammlung weilen– den Mütter spielten vor dem Gasthaus auf der Straße. Um etwa 1 / 2 5 Uhr nachmittags, als die Versammlung zu Ende ging, sahen die Versammelten durch das Fenster die bereits vom Bahnhof einrückenden Schutzbundabtei– lungen. Plötzlich hörte man Schüsse fallen. Der Versammlung bemäch– tigte sich ungeheure Erregung, die Mütter stürzten hinaus, riefen ihre Kinder, und Genosse H o f m a n n und Bürgermeister G r a f 1 bestimmten die Leute, nicht auf die Straße zu gehen. Diesen Schüssen folgten in rascher Reihenfolge viele andere und plötzlich stürzte ein Schutzbündler, der am Ende des Zuges marschiert war, durch einen Kopfschuß von rück– wärts erschossen, blutüberströmt zusammen. Ein Schuß hatte den Kopf des Kriegsinvaliden C s m a r i t s zertrümmert. Im selben Augenblick brachen ein achtjähriges Eisenbahnerkind und ein sechsjähriger Knabe im Blute zusammen. Das achtjährige Kind war getötet, das sechsjährige Kind schwer verletzt. Die Mörder flüchteten, nach der Aussage der Dorfbewoh– ner, von rückwärts aus dem Mordhaus. Mittlerweile erschien Gendarmerie, besetzte das Haus und vernahm die Augenzeugen. Uebereinsti:tnmend gaben alle Zeugen an, daß ohne irgendeinen Grund aus dem Gasthaus Tscharmann blind in die Menschenmenge geschossen worden war. Außer den beiden angeführten Opfern wurden durch die blindwütende Schießerei 36

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