Oberösterreichischer Volkskalender 1928

Zölle auf die Erzeugnisse der österreichischen Industrie erhöhen. Das bedeutet für uns e r höht e A r b e i t s 1o s i g k e i t, noch größere Not. Die sozialdemokratische Partei hat die Wege gezeigt, die zu beschreiten sind, um das Unglück einer Tariferhöhung der Zölle zu verhüten. Ob die von dem Prälaten S e i p e 1 neuzusammengedeichselte Regierung, in der nun a1,1ch die Landbündler, bekanntlich die größten Freunde des Hoch– schutzzolles, sich wohlfühlen, die sozialdemokratischen Vorschläge beachten wird, ist eine andere Frage. Die Zukunft wird es lehren .... Welch r e a k t i o n ä r e r Kurs in O e s t e r r e i c h gesteuert wird, zeigten am deutlichsten die „Richtlinien", die seinerzeit der famose Herr Sc h m i t z gegen die Sc h u 1r e f o r m herausgegeben hatte. Bundes– minister Schmitz hat als gehorsamer Diener Piffls versucht, die Schule ganz dem Klerikalismus auszuliefern, daher hatte er auch seinen Beamten verboten, sich an der Diskussion über seine reaktionären „Richtlinien" beteiligen zu dürfen. Minister Schmitz hat sich damit freilich unsterblich blamiert, denn der Verfassungsgerichtshof hob diesen berüchtigten „Maul– korberlaß" als eine Verletzung des verfassungsmäßig gewährleisteten Rechtes der freien Meinungsäußerung auf. Die Schmitz'schen Richtlinien gingen dahin, den K i n d e r n d e r A r b e i t e r s c h a f t d i e B ü r g e r– s c h u 1 e zu raub e n. Nur Kinder, welche „besondere Prüfungen" bestehen, sollten nach den Absichten Schmitz' noch in die Bürgerschule aufgenommen werden; alle anderen Kinder sollten acht Jahre in der Volks– schule bleiben. Dieses Attentat auf die Schulreform konnte durch das energische Eingreifen der sozialdemokratischen Abgeordneten glücklicher– weise verhindert werden. Der S eh u 1 e wird seitens der Arbeiterschaft leider immer z u w e n i g A u f m e r k s a m k e i t g e s c h e n k t. Den Wert der Schule wissen die Bürgerlichen und besonders die Christlich– sozialen besser einzuschätzen. In dieser Richtung hat die organisierte Arbeiterschaft viel nachzuholen! Das wichtigste politische Ereignis in Oesterreich waren die am 24. April 1927 stattgefundenen Nation a 1rat s w a h 1e n. Wir haben die ,,No b 1e s s e" der Gegner schon zu wiederholten Malen kennen gelernt, was sie sich aber bei diesen Wahlen an Gemeinheiten gegenüber der sozial– demokratischen Partei erlaubten, überstieg alles bisher Dagewesene. Die Aufdeckung der Bankenskandale durch die Sozialdemokraten war den Herrschaften von der Regierungsmehrheit sehr unangenehm, daher ver– suchten sie durch Lügen und Verleumdungen die Aufmerksamkeit von ihren Lumpereien abzuwenden. Mangels sachlicher Argumente wurde der Kampf auf die persönliche Seite gerückt, und da war weder den Christlich– sozialen, noch den Großdeutschen, Hakenkreuzlern und Landbündlern nichts zu schäbig und zu schmutzig, um die Vertrauensleute und Kandi– daten der sozialdemokratischen Partei zu verleumden und in den Kot zu zerren. Was sich auf dem Gebiete der Ehrabschneiderei die c h r i s t 1i c h– s o z i a 1e P r e s s e, von der Wiener „R e i c h s p o s t" angefangen bis herunter zur kleinsten klerikalen Zeitung, während des verflossenen Wahl– kampfes geleistet hat, kann man nicht in Worte kleiden. Natürlich blieb auch die üb r i g e b ü r g e r 1 i c h e P r e s s e in dem Besudeln der Arbeiterschaft und der sozialdemokratischen Partei hinter den christlich– sozialen Preßreptilien nicht zurück; besonders die Linz er „Tages– post", dieses käufliche Blatt für alle Stände und keine Gesinnung, ergoß Kübel von Unrat über die organisierte Arbeiterschaft und deren Ver– trauensleute. Angesichts der gehässigen Haltung der bürgerlichen Presse gegenüber der Arbeiterschaft während des Wahlkampfes und nach den 34

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