Oberösterreichischer Volkskalender 1928

Gesetz soll erst in Kraft treten, wenn die „Wirtschaftslage" dies zuläßt, wenn der Stand der Arbeitslosen in Oesterreich unter 100.000 herabgesun– ken ist! Das ganze Gesetz ist ein Hohn auf die Arbeiterschaft, ein Fetzen Papier! Nur die über sechzig Jahre alten Arbeitslosen, nur sie sollen ~chon vom Oktober dieses Jahres an die „Altersfürsorgerenten" bekommen, aber Altersfürsorgerenten, die um ein volles Drittel niedriger sind als die Not– standsbeihilfen, die diese alten Arbeitslosen bisher· bezogen. Den Antrag des Abg. Gen. H ö 1z 1, daß diese „Altersfürsorgerenten" mindestens ebenso hoch sein sollen wie die Arbeitslosenunterstützung, haben die Einheits– frontler niedergestimmt! Die einzige Bestimmung des Gesetzes, die wirk– lich in Kraft treten wird, i s t d e r R a u b a n d e n a 1t e n A r b e i t s- 1o s e n! Für die Sozialdemokraten war es schwer, für dieses Schandgesetz zu stimmen. Das Zustandekommen des Gesetzes zu verhindern, wäre eine Gefahr gewesen, denn das bereits vor der Auflösung gestandene alte Parla– ment hätte ein neues Gesetz nicht mehr verhandeln können, und dem neuen Parlament das umfangreiche, 280 Paragraphen beinhaltende Gesetz vorzulegen, hätte den Bürgerlichen willkommene Gelegenheit gebott~, die Beschlußfassung des Gesetzes wieder auf Jahre hinaus zu verschleppen. Es wird Aufgabe der Zukunft sein, die Vers c h 1echter u n gen des Gesetzes aus zum erzen und die Altersversicherung so zu gestal– ten, wie sie alte, im Dienste des Kapitals ergraute Arbeiter verdienen. Dies zu e r k ä m p f e n ist oberste Pflicht der klassenbewußten, organisierten Arbeiterschaft in Oesterreich! Einen zähen Kampf mußte im vergangenen Jahre die Arbeiterschaft Oesterreichs um die Aufrechterhaltung des Mieters c h u t .z es führen, den zu durchbrechen die Hausherrenorganisationen mit allen Mitteln ver– suchten, in welchem Beginnen sie von den bürge r 1ich e n Abgeordne– ten kräftigst unterstützt wurden. Die Herrschaften heucheln, es sei ihnen gar nicht um die Aufhebung der Kündigungsklausel zu tun, sondern nur um die „Anpassung" der Mietzinse. Wie diese „Anpassung" ausschaut, enthält der seinerzeit von der christlichsozial-großdeutschen Regierung eingebrachte Gesetzentwurf, der ab 1. Mai 1927 einen sechstausendfachen Friedenszins vorsieht und ab 1. Jänner 1929 den Hausbesitzern das Recht einräumt, a n M i e t z i n s v e r 1a n g e n z u k ö n n e n, w a s s i e w o 11 e n! Alle jene, die den hohen Zins nicht bezahlen können, würden dann aufs Pflaster fliegen, so daß die „Kündigungsklausel" ganz von selbst hinfällig wäre. Die H a u s h e r r e n drohten· in einer in Wien anfangs Juli 1927 abgehaltenen Versammlung, daß sie mit P et r o 1e um, Hand– granat e n und R e v o 1v e r den gänzlichen Abbau des Mieterschutzes erzwingen werden. Recht liebenswürdige Herren, nicht wahr! Was zur Zeit furchtbarster Wirtschaftskrise der Abbau des Mieterschutzes bedeuten würde, braucht wohl nicht betont zu werden. Die Mi et e r haben alle Ursache, sich gegenüber den Bestrebungen der Hausbesitzer entsprechend vorzusorgen. Wie zum Hohn hat die christlichsoziale-großdeutsche Regierung noch dem alten Parlamente, im Februar 1927, eine Z o 11 t a r i f n o v e 11 e ein– gebracht, wodurch die Zölle auf Meh 1, V i e h und F 1e i s c h empfindlich erhöht werden sollten. Treten diese Zölle in Wirksamkeit, dann würde das Kilogramm Mehl um 15 Groschen, der Laib Brot um 15 Groschen und das Kilogramm Fleisch um 30 Groschen teurer. Werden aber die Einfuhr– zölle auf Mehl und Getreide erhöht, so werden die fremden Staaten ihre ~ 3

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