Oberösterreichischer Volkskalender 1928

blieb. Die Rückständigkeit des österreichischen Bürgertums, die Arbeiter– feindlichkeit der Unternehmer und die „Fürsorge" der Christlichsozialen und Großdeutschen für die Arbeiter zeigte sich am deutlichsten bei den Verhandlungen über die A 1t er s v e r sich er u n g. D r e i ß i g Jahr e kämpft die sozialdemokratisch organisierte Arbeiterschaft um die A 1t e r s– und I n v a 1i d e n v e r s i c h e r u n g. Den Bemühungen unseres unver– geßlichen Genossen Ha n u s c h ist es nach den Umsturztagen gelungen, den Nationalrate eine Vorlage über die Alters- und Invalidenversicherung der Arbeiter zu unterbreiten. Jahrelang verschleppte die bürgerliche Regierung die Verhandlungen über diese Vorlage, bis sie endlich einen eigenen „Regierungsentwurf" der Nationalversammlung vorlegte, der b e d e u t e n d e V e r s c h 1e c h t e r u n g e n gegenüber der Vorlage Hanusch' enthielt. Die sozialdemokratischen Vertreter eröffneten sofort den s c h ä r f s t e n K a m p f gegen den Regierungsentwurf, und da zeigte es sich, daß sie a u f d e n h e f t i g s te n W i d e r s p r ·u c h d e r b ü r– g e r 1i c h e n P a r 1a m e n t s m e h r h e i t s t i e ß e n. Der Indu– striellenverband am Schwarzenbergplatz in Wien d i k t i e r t_ e und die christlichsozialen und großdeutschen Abgeordneten g e h o r c h t e n. Man hatte zwar zwei Billionen übrig für verkrachte Banken, jedoch keinen Groschen für alte, arbeitsunfähige Arbeiter; sie mögen zugrundegehen, der ,,Herr" wird sich ihrer schon annehmen ..... Ueber vieles Drängen der Sozialdemokraten wurde die Alters– versicherung nach langwierigen Verhandlungen endlich am 1. April 1927 im Nationalrate zum Gesetze erhoben. Es ist ein S c h an d g e s et z, das von der bürgerlichen Mehrheit des österreichischen Parlaments beschlos– sen wurde. Sämtliche Verbesserungsanträge der Sozialdemokraten wurden abgelehnt. Ab g e l eh n t wurde der Antrag des Abg. Gen. Sc h n e e- · berge r, die Land- und Forstarbeiter in die Altersversicherung einzu– beziehen! A b g e 1eh n t wurde der Antrag der Abg. Genossin B o s c h e k, auch den Bedienerinnen, den Wäscherinnen, den Hausnähe– rinnen die Alters- und Invalidenversicherung zu geben! Abgelehnt wurde der ·Antrag des Abg. Gen. Z e 1e n k a, die Bundes- und Gemeinde– arbeiter, die ungleich bessere Versorgungseinrichtungen haben, von dieser elenden Versicherung auszunehmen! Ab g e 1eh n t wurde der Antrag des Abg. Gen. S m i t k a, den Heeresangehörigen die Alters- und Invaliden– versicherung zu sichern! A b g e 1e h n t wurde der Antrag des Abg. Gen. H u e b e r, daß der kranke Arbeiter vom ersten Krankheitstag an das Krankengeld bezieht; die Bürgerlichen bestanden darauf, den kranken Arbeitern das Krankengeld für die drei ersten Krankheitstage zu rauben! A b g e 1 e h n t wurde der Antrag des Abg. Gen. E 1d e r s c h, daß der Arbeiter schon vom 60., die Arbeiterin schon vom 55. Lebensjahr an den Anspruch auf die Invalidenrente haben sollen, wenn sie infolge ihres Alters keine Arbeit mehr finden können! Ab g e 1eh n t wurde der Antrag des Abg. Gen. E 1der s c h auf Erhöhung der Invalidenrente! Ab g e- 1e h n t wurde der Antrag der Abg. Genossin S c h 1e s i n g e r, den Bun– deszuschuß zur Altersrente von zwei auf zehn Schilling monatlich zu erhöhen! Ab g e 1eh n t wurde der Antrag der Abg. Genossin S e i d e 1, die Witwenrente nicht nur für ein Jahr, sondern dauernd zu gewähren! A b g e 1 eh n t wurde selbst der Antrag des Abg. Gen. Z w an z g er, wenigstens den Bergarbeiterwitwen, die schon seit den Achtzigerjahren den Anspruch auf dauernde Renten haben, diesen Anspruch zu lassen! Der Antrag des Abg. Gen. E 1d e r s c h, das Gesetz spätestens am 1. Jän– ner 1928 in Kraft treten zu lassen, wurde ebenfalls ab g e 1eh n t! Das 32

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2