Oberösterreichischer Volkskalender 1928

Während der Festtage in Steyr beging auch die Ortsgruppe Garsten des Verbandes der Arbeiterschaft der chemischen Industrie das Fest ihres zehnjährigen Bestandes, zu welchem sich auch ein großer Teil' Berufs– genossen aus Wien und Ebensee eingefun– den hatten. Nach einem imposanten Festzug am Sonntag, den 7'. August, fand in Haslin– gers Gasthaus die Festversammlung statt, in welcher nach einer Begrüßung durch> den Ortsgruppenobmann, Gen. W e i ß, die Ge– nossen Schwa b von der Zentrale des Ver– bandes und' Genosse F e 1' bin g e r vom Gau Oberösterreich-Salzburg in längeren Aus– führungen die Bedeutung des Wiegenfestes der Gruppe Garsten würdigten. Es wurde dabei in warmen Worten der anwesenden Mitgründer, der Genossen F öder m a y r und Kr i c s an, gedacht und ihnen der Dank für ihre tapfere Pionierarbeit ausgesprochen. * Auf den N e u 1u s t g r ü n d e n in der Nähe der Industriehalle in St e y r ist wäh– rend des vergangenen Berichtsjahres ein neues Stadtviertel erstanden. Den wieder– holten Bemühungen des Genossen National– rat W i t z a n y ist es gelungen, Mittel für Bauzwecke in Steyr zu erhalten. Die „G e– m ein nütz i g e Ein- und Mehr– f a m i l i e n h ä u s er - B au g e n o s s e n– s c h a f t", genannt E. B. G., hatte einen gro– ßen Verdienst an der Kreditbewilligung. Auf Grund der raschen Arbeit der E. B. G. wurden ihre Vorschläge genehmigt und ihr der Kredit zur Errichtung der Bauten über– tragen. Der Steyrer Gemeinderat hat in vollster Würdigung der Notwendigkeit, Woh– nungen zu errichten, allles getan, um die Durchführung der Bauten zu ermöglichen. Die Arbeiterwohnanlage umfaßt einen Grund von 5240 Quadratmeter. Davon wur– den 1670 Quadratmeter verbaut. Die Haupt– front des Gebäudes ist entlang der Grillpar– zerstraße. (52 Meter Länge.) Von dieser Straße aus wird durch ein großes Tor der Verkeh•r sich abwickeln. Die zweite Stra– ßenfront verläuft entlang der Volksplatz– straße. (Baufront 36 Meter.) Die dritte Straßenfront verläuft nacht der erst zu er– richtenden Madlsederstraße. Diese Bau– front ist rund 40 Meter lang. Die vierte Front ist -entlang der Häusergruppe der Beamtenwohnhäuser; seibe ist 66 Meter lang. Das Gebäude ist durchgehends zweistöckig, unterkellert. In der Front der Grillparzer- straße ist ein Zubau als Spielhallie für die Kinder vorgesehen. Des weiteren ermög– licht der große Hof eine Anlage für einen. Kinderspielplatz. Es sind im ganzen sieben. Häuser, von denen jedes seinen eigenen Ein– gang hat. Jedes Haus beherbergt 8 bis 12 Parteien. Die drei Straßenfronten sind mit je einem turmartigen Aufbau geziert, in dem Wohnungen eingebaut sind. Jede Partei hat ihren eigenen Keller und Boden; jedes Ham; eine Waschküche. Von den 74 Wohnun– gen bestehen 37 aus Küche und Zim– mer, 20 aus Zimmer, Kabinett und Küche. Jiede Wohnung hat eigePe Klosett– anlage, Vorraum und Speise. Die Wohnun– gen wurden am 1. Oktober 1927 bezogen. Auch die sehr rührige „Ar b e i t er– Bau- und Wohnungs - Fürsorge– G e n o s s e n s c bi a f t Steyr", welche seit ihrer Gründung - März 1920 - s'chon 81 Wohnungen auf der hohen Ennsleiten gebaut hat, hat sich für ihr letztes Projekt eben– falls das neue Stadtviertel bei der Industrie– halle ausgesucht. Von der Gemeinde wurde dieser Genossenschaft längs der Tomi t z– s t r a ß e ein Grund im Ausmaße von 2150 Quadratmeter käuflich überlassen, Der Bau von drei Häusern mit insgesamt 32 Woh– nungen wurde im Augus.t 1926 begonnen und am 15. Dezember desselben Jahres fertig– gestellt, so daß mit Jahresschluß sämtliche Wohnungen bereits bewohnt waren. Die bauführende Firma „Re f o r m b au g e– s e 11 s c h a f t" hat durch diesen raschen Wohnungsbau einen Rekord aufgestellt, der ihren Leistungen' das beste Zeugnis ausstellt- Trotz dieser neuen Wohngelegenheiten bleibt S t e y T nach> wie vor d i e S t a d t d e s g r ö ß t e n W o h n u n g s e 1 e n d e s. 300 Parteien mit rund 1100 Personen müs– sen noch immer dn vermorschten und ver– faulten Baracken wohnen, deren Zustand ein entsetzlicher ist. Das Barackeneiend in Steyr inuß man geseheill haben, um die Ver– fassung zu begreifen, in w,elcher sich die Unglücklichen befinden, die in solchen miserablen Löchern hausen müssen. Die äußerst schwierige finanzielle Lage der Stadt Steyr läßt leider eine Hilfe nicht zu, und Land und Bund sind bisher acht 1 1 o s an diesen m e n s c h e n– u n w ü r d i g e n Z u s t ä n d e n v o r ü b e r– g e gang e n! Wann wird diese Kultur– schande einmal behoben werden? .... J. K-r. 128

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