Oberösterreichischer Volkskalender 1928

Zur Geschichte des „Kneifers". Das Augenglas hat nicht nur seine Geschichte, sondern auch seine Mode. Wie sich die Brille im Laufe der Jahrhunderte ständig verändert und dem jeweiligen Zeit– geschmack angepaßt hat, so ist auch cler weit jüngere Kneifer oder Klemmer seit seiner Erfindung gar mancherlei Wandlungen seiner äußeren Gestalt ausgesetzt gewesen. Er ist ein Kind der Neuzeit, da er erst um die Mitte der Vierzigerjahre ,des 18. Jahr– hunderts erfunden worden ist. Eingebürgert hat er sich aber anfangs nur sehr langsam. Die ersten Exemplare wurden in England hergestellt, und es dauerte ein Jahrhundert, bis die ursprüngliche unbequeme Form soweit verbessert war, daß die Alleinherrschaft der Brille gebrochen werden konnte. Die ersten in Deutschland, und zwar in dem bekannten Rathenow, verfertigten Klemmer hatten feste Metallfedern, die mit Schrau– ben am Rand der Fassungen befestigt waren. Nur durch starke Pressung der Federn hielten sie sieh auf der Nase, ,verletzten diese und drückten die Na~enflügel zusammen, was sie natürlich ein bißchen unbeliebt machte. Diese alten Klemmer wurden auch nicht auf dem Nasenrücken getragen, sondern viel} weiter nach vorn auf die Nasenflügel gesetzt; dadurch wurde die Nase zusammengequetscht und das Atmen durch die Nase behindert; daher der Name „Nasenquetscher". Auch sonst fehlt es dem Klemmer ja nicht an Namen. Jahrzehnte hindurch war vorwiegend die französische Bezeichnung Pincenez gebräuchlich. Der Name „Kneifer", der dann aufkam, ist eigentlich nicht recht logisch, denn der Kneifer soll vor allen Dingen weder kneifen noch drücken. Aehnliches gilt von dem fast schon vergessenen, nur in Oesterreich noch gebräuchlichsten Ausdruck „Stecher". In Hessen ist der Aus– druck „Petzer" im Volk gebräuchlich; petzen heißt so viel wie kneifen. Ein guter alter Ausdruck, den man in manchen Gegenden heute noch hört, ist „Zwicker". Der schon erwähnte Ausdruck ,Nasenquetscher" ist heute völlig verschwunden und wird allenfalls noch scherzhaft gebraucht; denn jene Urform des Klemmers, wie man sie bis vor etwa einem Menschenalter noch bei alten Leuten sah, ist heute längst verschwunden. Uebri– gens gab es in der Frühzeit der Augengläser auch Klemmbrillen, die vorn an den Nasenflügeln angesetzt wurden. Die ersten Klemmer mit ovalen Gläsern führte im Jahre 1841 ein Pariser Optiker ein, 1857 erfand ein anderer Parister Optiker die Schildpattplatten, die sich an den Nasenrücken anlegten. Fünf Jahre später schuf der Franzose Thiroin ein seltsames Pin– cenez, das ganz aus Schildpatt bestand und lange unter dem Namen des japanischen oder chinesischen Klemmers in Mode war. Thiroins, Klemmer war der erste,:, den man an die Wurzel der Nase, zwischen\ die inneren Augenwinkeln setzen konnte. So wurde der erste Typ des modernen Klemmers, der bis um die Jahrhundertwende fabriziert und verlangt worde11 ist. Dann folgten bald viele Veränderungen und Verbesserungen, und heute gibt es Klemmer in vielen Hunderten von verschiedenen Formen. Da man meist darauf bedacht war, den Klemmer so unauffällig wie möglich zu machen, hat er eine Zeitlang die Brillen fast völlig in den Hintergrund gedrängt. Vor etwa, einem Jahrzehnt hat aber eine rückläufige Bewegung eingesetzt; die sogenannte „Eulenbrille" mit der Hornfassung und den kreisrunden Gläsern tauchte auf und erwarb sich eines– teils wegen ihrer optischen Vorzüge, dann aber auch durch ihre Kleidsamkeit rasch viele Freunde, deren ·Zahl noch im Wachsen begriffen ist. * Brillen, die nicht beschlagen. Das lä!sti'ge „Atnilaufen" der Augengläser, das bei plötzfüchem Teinperoturwechsel odet· bei Erhitzung des Tr,ägel's •eii'olgen kann, ist für jeden BrmentTägei, peinLich; fü.ri die A,rbeit des Bergmannes unbeci· Tage aber war es bishier so hdnd>el'lich, daß ku.rzsichtig•e Bergleute überhaupt foeine Augengläser tragen konnten. Wie D~-. Heßberg in der „Zeitschrrift fü.r Augenhleiilikundie" mit-teilt, hat man nunmehr eine Methode gefunden, d1e wenigsbens für begrenzte Zeit das Beschlagen verhindert; es w~rd dabei •eine Lösung von 98

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