tags erlebten wir den Waffenstillstand in Südtirol. Aus mit dem Krieg - keine Gefallenen und Verwundeten mehr! Wenn Sie den Chor der Gefangenen in der Oper „Fidelio" einmal gehört und den Jubel über ihre Befreiung gefühlt haben, können Sie unsere Freude über das Ende eines so langen Krieges ermessen! Nie wieder Krieg! Nicht lange nach dem ersten kam der zweite Weltkrieg! Noch mehr Opfer und Leid, nicht nur über uns, sondern über die ganze Welt! Versteht Ihr jetzt, meine lieben, jungen Freunde, die ihr heute in Wohlstand und Überfluß lebt, das Gebet des Papstes nach Frieden und Umkehr? Gott möge uns vor einem neuen Krieg verschonen! Doch wie kam ich damals nach dem „Abgeblasen" und Stillstand der Waffen nach Hause? Wir zogen zu Fuß durch ganz Südtirol, bekamen in Innsbruck einen Viehwagen in einem Zug und ich kam nach 14 Tagen, krank und abgemagert, als Totgeglaubter zuhause an. Die Kirche in Dietach Aus Sagen und Legenden von Steyr Von Franz Harrer Wer von Steyr weg auf der Landstraße eine gute Stunden nordwärts wandert, der sieht, wenn er die Ortschaft Dornach erreicht hat und seine Blicke über di e kleine Ebene schweifen läßt, am Fuße eines halbbogenförmigen Höhenzuges eine Kirche stehen, deren Turm spitz aufragt. Es ist die alte gotische Kirche von Dietach, eine der ältesten Kirchengründungen der Umgebung Steyrs. Die Kirche, die den zwei Wetterherren Petrus und Paulus geweiht ist, steht am Fuße eines zwar schöngewölbten, sonst aber ganz kahlen Berges, der wie ein ins Riesenhafte aufgeworfener Ameisenhügel in der Landschaft liegt; er ist baumlos und deswegen nicht gerade anziehend; er hat aber einen besonders schönen Namen: er heißt Goldberg. Bis zum Jahre 1937 stand auf seinem Rücken ein großer, einsamer, mehrere hundert Jahre alter Lindenbaum mit einer mächtigen, schöngeformten Baumkrone, der den Blick des aus der Feme kommenden Wanderers schon von weitem auf sich lenkte. In dem genannten Jahre schlug bei einem gewaltigen Gewittersturm ein aus den schwarzen Wolken fahrender Blitz in den Baum ein und fegte ihm die herrliche Krone vom Stamm. Im Jahre 1940 wurde der vom Blitz zum Krüppel geschlagene Lindenbaum ausge46 reutet und, einem alten Herkommen getreu, eine junge Linde gepflanzt. Vor 30 Jahren führte von der Kirche eine schmale Brettei-Stiege den steilen Goldberg hinan zum a!Jeinstehenden Lindenbaum, der mit Heiligenbildern behangen war und vor dem eine hölzerne Betbank stand. Heute sind von der einstigen Stiege nur noch kümmerliche, von Gras überwachsene Reste vorhanden. Wer hinaufsteigt zum Rücken des Goldberges wird belohnt durch den herrlichen Ausblick auf das südliche Ennstal und auf die graublauen Felsenberge der Alpen. Der Goldberg mit seinem einstigen bilderbehangenen Lindenbaum mag in alter Zeit gewiß eine mythologische Bedeutung gehabt haben. Die Kirche von Dietach wollte man auf dem Rücken des Goldberges erbauen. Das Baumaterial , das man tagsvorher mit vieler Mühe auf den Berg geschafft hatte, lag am Morgen drunten in der Ebene, am Fuße des Goldberges. Man sah das als ein Zeichen des Himmels an und erbaute sie dort, wo sie heute steht. Auf dem Goldberge aber pflanzte man eine Linde, die, groß geworden, zum heiligen Bildbaum wurde. Die Kirche von Dietach wird geheimnisvoll auch eine „heimliche" oder „verborgene" Kirche genannt.
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