Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1997

hatte zusperren müssen. Auf das Wort hin lief das große Wasserrad immer langsamer, der schwere Hammer blieb auf dem Amboß liegen und die Feueressen glühten aus. Aber mitten aus dem Eisen, das haufenweis herumlag, hob der Meister der Bergwichtel eine große, schwere Stange und hielt sie dem Hammerherrn entgegen. „Du hast das rechte Wort gesagt, auf das wir schon lang gewartet haben. Dafür schenken wir dir dieses Eisen. Und soviel du auch daraus schmiedest, es wird nie zu Ende gehen. Aber eines mußt du dir merken: Du darfst niemals das ganze Stück auf einmal verarbeiten! Bevor du es schneidest, schlag jedesmal ein kurzes Ende davon ab und bewahre es auf!" Auch dem Wächter schenkte er etwas - einen Stein, den er in seiner kleinen Faust gehalten hatte . ,,Wärst du nicht so treu gewesen, hätte uns nie ein Mensch im alten Hammerwerk gesehen, und wir müßten hämmern und schmieden in alle Ewigkeit. Leg den grünen Stein auf dein blindes Auge, und du wirst bald wieder sehend werden!" Dem Hammerherrn und seinem Wächter erschien es nach diesem Wort, als wären sie aus einem sonderbaren Traum erwacht. Sie sahen sich ganz betroffen an und erkannten, daß sie unter dem Tor des Hammerwerkes standen. Die große Halle lag wieder schwarz und verlassen da. Die Bergwichtel waren verschwunden - und hätten sie nicht das blaue Eisen und den grünen Stein in den Händen gehalten, dann hätten sie wohl an ihrem eigenen Verstand gezweifelt. Der Hammerherr dingte schon am nächsten Tag wieder Knappen für sein Hammerwerk, und talauf, talab am Steyrfluß steckten die Leute ihre Köpfe zusammen und fragten vergebens: ,,Hat der Hammerherr eine neue Erzader im Berg gefunden?" Aber niemand erfuhr ein Wort davon, wie es wirklich zugegangen war in jener Nacht. Das Wasser der Steyr bog wieder in das große Fluder (den Wasserkanal) ab, der das mächtige Wasserrad antrieb. Es stürzte spritzend und rausehend auf die breiten Dauben (Bretterkästen), und mit der Kraft des Wasserrades hob sich der viele Zentner schwere Hammer. Pung, pung - pung, pung! ging es den ganzen Tag, daß die Halle dröhnte und zitterte, und das war für die Knappen und Sensenschmiede die schönste Musik. „Wie geht's deinem Auge?" fragte der alte Hammerherr manchmal seinen treuen Wächter, wenn sie allein waren und niemand zuhören konnte. „Wie geht's Emem Eisen? Habt Ihr doch ein Stücklein abgehackt, damit es wieder nachwachsen kann?! erinnerte der Wächter seinen Herrn. Und alles ging gut, solang' der treue Wächter lebte. Eines Tages aber legte er sich hin und starb. Der Hammerherr traue1te lang um ihn, und wenn er das Astloch im Tor mit dem eisernen Zapfen sal1, dachte er auch immer an die Mahnung des Wächters. Mit der Eisenstange, die nie zu Ende ging, wuchs auch wieder der Reichtum des Hammerherm in der Raingrueb. Und mit dem Geld baute der Hammerherr ein neues, viel größeres Hammerwerk. Das alte Holztor verschwand, in dem neuen aber steckte kein Eisenzapfen mehr, den einst der Bergwichtel hineingetrieben hatte. Die Mahnung des Bergwichtels fiel in Vergessenheit. Einmal kam der Hammerherr zu spät in das Werk, und da hatte der Sensenschmied das ganze Eisenstück auf einmal unter den großen Hammer gelegt. Der Hammerherr erschrak und stellte gleich das Wasserrad ab. Aber mit dem letzten großen Hammerschlag war das ganze Eisen zum Sensenblatt geschmiedet. Und am anderen Morgen fanden die Sensenschmiede kein Stücklein Eisen mehr, das sie hätten schnüeden können. Das Wasserrad blieb stehen, der große Hammer schwieg, und die Knappen und Sensenschmiede verliefen sich. Das Glück der Hammerherren in der Raingrueb war für immer vorbei. 41

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