Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1997

Auf einmal aber stand das ganze Werk im Licht vieler Lampen und Feuer da! Über das große Wasserrad rauschte der Fluß und trieb die schweren Hämmer an. Pung, pung! hoben sie sich und schlugen auf den mächtigen Amboß nieder. Dem Wächter erschien alles wie ein Traum. So hatte er es noch aus den schönsten Zeiten in Erinnerung, als die Hämmer Tag und Nacht gepocht hatten. Alle Bergwichtel waren in das Hammerwerk hinein verschwunden. Sie hatten die Tore verriegelt, und als der Wächter näher herantrat, hö1te er drinnen Arbeit, Klirren und Klingen. Auf der langen Walzbahn hörte er glühendes Eisen zischen, und die Walzpresse knarrte so wie vor langer Zeit. Dem Wächter ließ es keine Ruhe, bis er endlich in dem hölzernen Tor ein Astloch fand und durch dieses hineinschauen konnte. Er drückte sein Auge fest daran und sah jetzt, daß drinnen die Bergwichtel wie richtige Hammerschmiede und Knappen hin und her liefen, die glühende Eisenstange mit den Zangen packten und auf den Amboß trugen. Der schwere Hammer, den das große Wasserrad antrieb, schlug darauf nieder, bis sie zu einem Sensenblatt breitgepreßt war. Jetzt schoben sie das Blatt unter die kleinen Hämmer, peng, peng - peng, peng! war die Sense fertig. Die Bergwichtel glühten sie noch einmal in der weißen Feueresse an und häJteten sie, indem sie das glühende Sensenblatt in den großen steinernen Wasserzuber stießen, daß es qualmend aufzischte und blau anlief - alles geschah so, wie es sonst die Sensenschmiede getan hatten. Der Wächter war von diesem Geschehen wie verzaubezt und vergaß alles um sich herum. Er wäre wohl bis zur zwe iten Nachtstunde vor dem Tor gestanden und hätte das Auge ans Astloch gedrückt. Doch da wollte auf einmal auch ein Bergwichtel durch das gleiche Guckloch herausschauen und entdeckte dabei den Wächter. Es winkte einem andern Bergwichtel und rief: ,,Bua, steck das Loch zua!" Der zweite Bergwichtel lief herbei und trieb auf ja und nein einen dicken Zapfen in das 40 Astloch. Er traf den spähenden Wächter mitten ins Auge, daß diesem vor Schmerzen ganz anders wurde. Er dachte jetzt endlich daran, daß er sogleich dem Hammerherrn alles erzählen mußte , was in dieser Nacht in seinem Hammerwerk geschah. Der Wächter lief, als gings um eine arme Seele, und trommelte den alten Hammerherrn aus dem Bett. „Die Bergwichtel arbeiten in Eurem Hammerwerk, He1T! Sie haben schönes, schwarzblaues Eisen aus dem Berg mitgebracht und schlagen Sensen daraus!" erzählte er und hielt sich dabei sein Auge, mit dem er wohl nie mehr sehen konnte. „Du bist wohl eingeschlafen und hast geträumt!" schüttelte der Hammerherr ungläubig den Kopf. Aber weil der Wächter nicht nachließ, schlaff er doch zuletzt in seinen Mantel und ging mit. Da staunte er, als er in die Raingrueb kam und den Lichtschein aus seinem Hammerwerk sah. ,,Hineingehen müssen wir wohl und nachschauen, was drinnen geschieht!" sagte er, und jetzt glaubte er es bald selber, daß nicht alles, was der Wächter gesagt hatte, nur Täuschung und eitles Blendwerk war. Es pochte und stampfte in dem Hammerwerk wie in den guten Zeiten, als er noch ein reicher Mann gewesen war. Der Hammerherr trat an das Tor und sperrte es mit dem großen, rostigen Schlüssel auf. Als er in die Halle hineintrat, wurde er von dem weißen Lichtschein, der aus den glühenden Essen loderte, zuerst so geblendet, daß er die Hand vor seine Augen halten mußte. Aber der Wächter stieß ihn leise an: ,,Die Bergwichteln haben uns gesehen. Haltet einen fest, bevor sie alle wieder im Berg verschwunden sind!" Doch das tat der Hammerherr nicht, und das war sein Glück. Er rief laut, wie er es früher immer getan hatte : ,,Feierabend ist in Gottes Namen!" Und siehst du, das ist das Zauberwort für die Bergwichtel gewesen, die Tag und Nacht im Berg werken mußten und das Wort nicht mehr gehört hatten, seit das Hammerwerk

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