Die Bergwichtel und der Hammerherr Aus: Sagenreise durch Oberösterreich Von Franz Braumann Einst herrschten im Steyrtal und im Ennstal die Hammerherren. Sie schürften das Eisen aus dem Berg, schmolzen das Erz und klopften dann das schwarzblaue Metall unter ihren schweren Hämmern zu Sensen und Sicheln. Sie wurden von diesem Gewerbe reich und stolz. Und wer einem hochmütigen Hammerherrn begegnete, der dachte gewiß, ein solcher Reichtum würde niemals zu Ende gehen. Doch später kamen wieder andere Zeiten. Das Erz gab immer weniger reines Eisen, die Schächte in den Bergen verfielen, und die Eisenhütten standen eine nach der anderen still. Die Hammerschmiede und Knappen zogen fort, und mancher Hammerherr blieb arm und allein zurück. So erging es auch dem Hammerherrn in der Raingrueb. Der Eisenhammer in dem großen, schwarz verrußten Hammerwerk hatte immer weniger und weniger Arbeit. Zuletzt mußte das Wasser von Fluder abgeleitet werden. Das große Wasserrad stand still , und der Hammer ruhte auf seinem mächtigen Amboß. Die Schmiede verliefen sich, nur ein Wächter blieb seinem Hammerhenn noch treu und bewachte jede Nacht das stillgelegte Werk. Eines Abends trat der Hammerherr dem Wächter entgegen. ,,Geh heim und leg dich schlafen! Warum soll man auch ein ruhendes Hammerwerk noch bewachen. Morgen fahr' ich mit den Rossen in die Stadt Steyr und will das alte Gerümpel verkaufen." Der alte Wächter schüttelte betrübt den Kopf. ,,Das solltest du nicht tun, Herr. Wenn wieder neue Knappen eingestellt werden, finden sie vielleicht eine frische Erzader, dann hat auch das Hammerwerk wieder Arbeit genug." Aber der niedergeschlagene Hammerherr wollte sich nicht raten lassen. ,,Geh heim und schlaf dich aus!" sagte er noch einmal und kehrte um in sein Haus zwischen hohen Bäumen . Der Wächter tat, als gehorchte er dem Herrn. Er ging fort. Aber nach einer Weile blieb er stehen und schaute sich um. ,,Heute wenigstens wiJI ich das Hammerwerk noch bewachen. Sollte es morgen wirklich verkauft werden, dann hab ' auch ich ausgedient!" Und wie es der Wächter bei sich beschlossen hatte, so hielt er es auch. Er hatte seine Sturmlaterne schon gelöscht, und so sah ihn auch der Hammerherr von seinem Hause aus nicht, wie er die lange Straße bis zum Hammerwerk hinaufging. Der Wächter schritt mit gesenktem Kopf dahin, schaute nicht links und nicht rechts , und das Wasser im Fluß rauschte dumpf herauf. Wo eine Felsschlucht in die Raingrueb hereinmündete, hörte der Wächter auf einmal Rossegetrappel und Eisengeklirr. Er trat erschrocken hinter einen Busch und wollte sehen, was sich hier in der stockdunklen Nacht zutrug. Er mußte nicht lange wanten, tauchten hinter dem Fels kleine Rosse auf, Reiterlein saßen aufrecht in den Sätteln, und so viel Licht gaben die Sterne her, daß der Späher die Bergwichteln erkennen konnte. Hinter den Reitern liefen noch viele zu Fuß, und alle trugen Hämmer und Zangen auf den Schultern. Ganz zuletzt schleppten viele Wichtel an einer langen, schweren Eisenstange. Dem Wächter gab es einen Stich, als er erkannte, daß sie den Weg zum Hammerwerk einschlugen. Leise folgte er dem Zuge. Die Häuser und Hallen des Hammerwerkes tauchten dunkel aus der Nacht auf. Kein Rad lief, kein Licht brannte, kein Hammer schlug. Alles lag so tot vor dem Wächter, wie er es noch jede Nacht gesehen hatte. 39
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