Die Frau kostete von dem Wein, und er schmeckte ihr ebenso wie dem Mann. Sogar die Kinder durften einen Schluck davon trinken. Die ganze Familie war glücklich über diesen Schatz, und im Haus gab es von dieser Stunde an nur Freude und frohen Sinn. Als jedoch nach einiger Zeit der große Weinkrug ausgetrunken war, drängte diesmal das Weib den Mann, daß er fortgehe und mit dem vollen Krug heimkomme. Sie stand die halbe Nacht am Fenster und konnte es fast nicht erwarten, bis sie wieder einen Schluck auf die Zunge erhielt. Bald fiel die Veränderung auch den Nachbarn des Ottensheimer Bürgers auf. Sie wußten es einzurichten, daß er sie einmal zu einem Freundschaftstrunk einlud. Sie saßen um ihn und lobten den Wein nach Gebühr. ,,Kannst du nicht mehr von dem Wein mitbringen als nur diesen Krug da?" fragten sie ihn. Der Grünkranz legte erschrocken den Finger auf den Mund, als hätten ihn jetzt die drei alten Männer beobachtet. „Ich darf kein Wo1t sagen, und ihr müßt auch schweigen!" bat er die Nachbarn, und sie versprachen es. Aber nun war auch ihr Verlangen geweckt und so redete sich die Sache bald herum. Ja, sie kam sogar vor den Rat des Marktes . Der Grünkranz wurde vorgeladen und streng befragt: ,,Woher bringst du den guten, roten Wein?" Ja, sie deuteten sogar an, daß er unrecht Gut genommen hätte und nun bestraft werden müsse . Da kam dem Mann doch endlich die Angst, und er fing an zu erzählen: ,,Oben, unterhalb der Ruine , liegt ein versteckter Gang, den aber niemand findet. Drei weise Alte bewachen den Weinkeller, und nur mich lassen sie eintreten. " Die Herren vom Rat schüttelten zweifelnd den Kopf. ,,Das ist eine seltsame Geschichte; wir können sie glauben oder auch nicht. Wenn es aber wirklich so ist, dann bring uns auf der Stelle eine Probe von dem uralten Wein! " 38 Insgeheim waren sie alle nur darauf begierig, auch einen Schluck davon trinken zu können. Der Ottensheimer Bürger bedang sich nur die Gnade aus, daß er erst forgehen durfte, wenn der Mond aufgegangen war. Am Tage hatte er den Eingang noch nie gefunden. Das ließen sie auch gelten, und so stieg der Ottensheimer in der neuen Nacht wieder auf die Ruine Kürnberg. Es war ihm diesmal gar nicht gut dabei, und er merkte sich den Weg, indem er insgeheim da ein Holzzwecklein, dort einen auffallenden Stein an seinem Pfad niederlegte , dan1it er auch wieder zurückfand. Daran hatte er früher nie gedacht und war doch jedesmal heil aus dem dunklen Gang und durch das dichte Gestrüpp zurückgekehrt. Der Grünkranz fand in den dunklen Gang. Er trat zu dem großen Weinfaß und drehte wieder die Pipe herum, wie er es immer getan hatte. Als der Krug voll war, erhob er sich und wollte gehen. Da standen die drei Alten wieder da wie zum erstenmal. Aber diesmal schauten sie noch viel strenger darein. Einer hob die Hand und befahl ihm: „Schütte den Wein auf den Boden! Du hast dein Geheimnis nicht bewahrt und sollst keinen Tropfen von unserem Wein mehr trinken!" Der Ottensheirner war so erschrocken, daß er auch gleich gehorchte und den Wein auf den Boden leerte. Wo aber der Wein den Boden berührte, dort lagen auf einmal goldene Dukaten. Er fragte: ,,Darf ich wenigstens die noch behalten?" Da nickten sie stumm, und der Ottensheimer steckte sie traurig in seinen feuchten Rock. Er wollte sich noch bedanken, da waren die drei Alten schon verschwunden. So kroch er den finsteren Gang hinaus, und draußen verirrte er sich so sehr, daß er vor Müdigkeit endlich umsank und einschlief. Als er erwachte, war es heller Tag um ihn. Der Weinkeller blieb wieder tief in den Berg hinein verzaubert bis auf den heutigen Tag.
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