Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1997

Der Weinkeller von Kürnberg Aus: Sagenreise durch Oberösterreich Von Franz Braumann „Was sucht der Grünkranz auf der Ruine Kürnberg?" So fragte ein Ottensheimer Bürger den andern, wenn sie den Mann oben auf den Trümmern der alten Burg herumsteigen sahen. „Etwa meint er gar, daß er noch einen Schatz von den alten Kümbergem findet. Das soll ein reiches GrafengeschJecht einst gewesen sein!" „Ach! " rief der erste und lachte. ,,Da ist der Grünkranz viel zu spät aufgestanden. Die alten Mauem und Steine haben schon viele andere vor ihm durcheinandergewühlt. Haben auch nichts gefunden!" ,,Du wirst noch sehen, der findet was!" blieb der zweite bei seiner Meinung. Der Grünkranz aber, ein verarmter Bürger von Ottensheim, wußte nichts davon, was die Leute über ihn redeten. Er hatte gemeint, ihn hätte noch keiner gesehen, wenn er sich von Ottensheim fortschlich und auf den Felsen der alten Burg herumkletterte. Ihn trieb etwas an, das kein anderer wußte. Ein ganz altes Adelsfräulein in Linz, das in1 Sommer stets in Ottensheim in der kleinen Dachkammer des Grünkranzhauses wohnte und das er aus Gutwilligkeit ernährte, weil es noch ärmer war als er, das hatte ihm auf dem Sterbebett gesagt: ,,Steig zu der Ruine Kürnberg hinauf, und wenn du den alten Gang findest , kann ich dir danken für deine Gutherzigkeit!" Als er noch fragen wollte, was er im Gang drinnen finden würde, da hatte sich das Adelsfräulein schon zurückgeneigt und war gestorben. So kannte er nicht mehr als die magere Verheißung. Und als das Trauerjahr vorüber war, stieg der Grünkranz zu der alten Ruine hinauf. Er kletterte einen halben Tag zwischen den Trümmern der Burg herum; gegen Abend zu wurde es ihm unheimlich, weil er auf einmal meinte, jemand schaue ihm zu. Da war er davongerannt und hatte sich vorgenommen, nie mehr auf den Kürnberg zu gehen. Nicht einmal seinem Weib sagte er daheim etwas. Doch so ein Entschluß ist leichter gefaßt als gehalten. Wenn er in der Nacht wach dalag und über seine Not nachsann, kam ihm der Auftrag des Adelsfräuleins wieder in den Sinn. Etwas mußte wohl dahinterstecken - mir nichts , dir nichts redete keines vor dem Sterben so daher! Der Gedanke ließ ihn nicht eher los, bis er sich wieder auf den Weg machte. Es war ein Regentag, und die Ruine schaute noch einsamer und verwunschener aus als zum erstenmal. Heute wendete er jeden Stein um, den er heben konnte . Schlangen ringelten sich fort, Eidechsen huschten über die Mauem, und von der Höhe herab tropfte dem Grünkranz der Regen ins Genick. Da ging er wohl besser wieder unverrichteter Dinge heim. Aber nun hatte er sich an dem Vorsatz, daß er den Gang finden müsse, so festgeklammert, daß er jede Stunde, die er nur konnte, auf der alten Ruine herumkletterte. Die Leute in Ottensheim schüttelten den Kopf, und sie meinten, mit dem Grünkranz wäre es im oberen Stock nimmer ganz richtig. Selbst sein Weib begann allmählich an ihm zu zweifeln. Als er wieder einmal zwischen den Mauerbrocken auf der Ruine herumstieg, fiel er mit den Beinen durch einen Spalt. Er fing an, die Steine fortzuräumen. Und siehst du, da fand er auf einmal einen verdeckten Gang in den Kürnberg hinein. Er bückte sich und schloff mutig hinab. 35

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