Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1996

Der Goldschatz im Teufelsbach Aus Sagen und Legenden von Steyr Von Franz Harrer Unwillkürlich wendet der Fremde, der zum Leitnerberg in Steyr kommt, seinen Blick gegen die waldbewachsene Schlucht, die sich vor ihm auftut und betrachtet verwundert den mächtigen Wasserfall, den der Teufelsbach zur Zeit der Schneeschmelze im Frühling oder zu anderen Zeiten hoch droben unter der Brücke über ein Felsenlabyrinth wildschäumend mit Getöse in die Tiefe sendet. Dieser eigenartige Wasserfall, der in ein breites Becken stürzt, und der Abfluß des Wassers durch den engen grünen Waldgraben bietet dem Beschauer ein großartiges Naturspiel dar. Hoch oben steht das türmleingeschmückte, mauerumfangene und anmutige Schlößchen Engelseck, das einst Teufelseck hieß, weil man ihm, gleich dem Bache, den Namen des Teufels gegeben hat. Dem damaligen Besitzer Josef Achtmark von Achtmarkstein, Bürgermeister von Steyr, gefiel der Name des Schlößchens nicht; er suchte 1642 bei Kaiser Ferdinand III . um Änderung des Namens in Engelseck an, was ihm laut Urkunde auch gestattet wurde. An dem zu verschiedenen Zeiten so wilden Teufelsbach, dem der Name bis heute geblieben ist, knüpft sich, wie die Sage zu erzählen weiß, folgende tragische Begebenheit: Als der kleingewachsene, aber geniale kriegerische Unruhestifter Napoleon Bonaparte 1809 mit seiner Armee in Österreich einfiel , kam Marschall Lanner mit einer Schar Franzosen nach Steyr, wo er sich im Gasthof „Zum Schiff' einquartierte. Die Franzosen strolchten in der Umgebung herum, raubten und plünderten, wo es etwas zu rauben und zu plündern gab. So kam eine große Anzahl von Franzosen in der Gegend um Christkindl in ein Bauernhaus, das sie ausplünderten. Als sie abzogen, blieb einer zurück, der noch habgieriger war als die anderen und von dem alten Bauern, der alleine zu Hause war, noch etwas zu erpressen hoffte und Geld verlangte . Er setzte dem Bauern das Gewehr an die Brust und sagte drohend in gebrochenem Deutsch: „lk schießen!" Der Bauer in seiner Angst, der Kerl werde wirklich schießen, wenn er ihm das Verlangte nicht gäbe, zog aus dem Backofen einen Beutel, angefüllt mit Dukaten und gab ihm diesen. Der Soldat machte den Beutel auf und sah hinein; mit freudestrahlendem Gesicht band er den Beutel zu, steckte ihn ein und entfernte sich in Richtung des Teufelsbach-Wasserfalles. Nach einer Weile kamen die zwei Söhne des Bauern, die auf dem Felde gearbeitet hatten, nach Hause und der Vater erzählte ihnen, was inzwischen vorgefallen war. .,Dem müssen wir nach", riefen sie „und ihm den Beutel abnehmen ; Vater kommt, ihr kennt ihn!" Jeder der beiden holte sich aus der Wekzeugkammer eine Axt, sie verließen das Haus und eilten dem Soldaten nach, den sie bald erspäht hatten und ihm nachzukommen trachteten. Dort, wo zwischen zwei hohen Bäumen, an dem Gemäuer des Schlosses Engelseck, die steinerne Figur des hl. Nepomuk stand, holten die drei den Soldaten ein. Unter der Brücke stürzte der Wasserfall in die tiefe, dämmerige Waldschlucht. Sofort fielen sie wütend über den Franzosen her und es begann ein fürchterliches Ringen. Der Soldat wehrte sich zwar verzweifelt, doch die zwei kräftigen Burschen warfen ihn zu Boden und hielten ihn fest. Der Bauer begann in der Uniform des Soldaten den Goldbeutel zu suchen. .,Ich hab' ihn schon!" rief der Bauer und hielt den Beutel hoch. Als der Franzose sah, daß sein teurer Raub verloren war, warf er mit Riesenstärke die zwei Burschen von sich ab, entriß dem Bauern den Beutel und warf diesen in weitem Bogen in die Wasserschlucht. Einen Augenblick standen die drei Bauern wie erstarrt da und schauten in die Schlucht. Diesen Augenblick benutzte der Franzose und griff nach dem Gewehr, das ihm im Kampf mit den 43

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