Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1996

Ihr könnt euch vorstellen, wie sich der Dietleib über die Nachricht gefreut hat. Jetzt war er ganz sicher, daß er die Kühnhilde wiedersehen wird. Flugs hat er sich auf sein Roß geschwungen und ist mit seinen Männern nach Garden geritten. Dort hat ihn der ruhmreiche Meister Hildebrand gleich freudig begrüßt. ,,Sieh da! " hat er gerufen. ,,Der Herr Dietleib von Steyrland! Willkommen in Garden." Gleich hat er den jungen Helden in seine Halle geführt. Dort ist dann nach altem Brauch eine Mahlzeit aufgetischt worden. Bei der Schmauserei hat der Dietleib aber sein Anliegen nicht vergessen, und er hat dem Meister Hildebrand erzählt, warum er denn da ist. Der war sofort bereit, mit dem jungen Dietleib mitzukommen. ,,Aber paß auf!" hat der Hildebrand gesagt. ,,Der Weg ins Zwergenreich ist weit und voller Gefahren. Außerdem, mein junger Freund, werden wir wohl mit dem zauberkundigen Zwergenvolk kämpfen müssen. Drum rate ich dir eines: Reiten wir zuerst nach Bern zum König Dietrich. Wenn er uns mit seinen Gesellen, dem edlen Wittich und dem Wolfhart begleitet, dann können wir wohl siegen. Deine Männer aber, die kannst du gleich wieder heimschicken. Dieses Abenteuer ist nur etwas für erlesene Degen!" So hat sich Dietleib von seinen Leuten getrennt und ist mit dem Meister Hildebrand nach Bern geritten. Dort hat sie der große König Dietrich herzlich und voller Huld empfangen . Wie er gehört hat, was sie von ihm wollen, da hat er frohgemut ausgerufen : ,,Die Botschaft hör ' ich gern. Schon lange wollte ich den berühmten Rosengarten und die fabelhaften Schätze vom Zwergenkönig Laurin sehen. Nun soll sich mein Wunsch erfüllen. Auf mit euch, Wittich und Wolfhart! Rüstet euch gleich zur Bergfahrt, ihr sollt uns begleiten!" Da sind die zwei jungen Recken voller Freude aufgesprungen und hinausgestürmt, damit sie sich für die Reise rüsten. Auch der König Dietrich hat sich seine beste Rüstung angezogen. Stolz und herrlich - wie ein Kriegsgott - ist er aus der Waffenhalle gegangen und hat sich auf sein Roß hinaufgeschwungen. 36 Der besonnene Hildebrand aber hat zu seinen Gefährten gesagt: ,,Paßt nur auf: Kluge Vorsicht wird uns beim Zwergenkönig Laurin wohl mehr nützen als Kraft und wilde Kampfeslust. An der Zaubermacht der Zwerge, da zerschellt auch das beste Schwert. Drum müßt ihr mir jetzt eines geloben: Schont die Rosen im Garten vom König Laurin. Die Rosen sind seine Lust und Freude. Wer sie vernichtet, der muß sich vom Zwergenkönig als Buße die rechte Hand und den linke Fuß abschlagen lassen!" Hoch und heilig haben die Helden versprochen, daß sie die Rosen nicht anrühren. Lustig sind sie ins Gebirge geritten, haben gelacht und gejauchzt, daß das Echo von den Bergwänden zurückgejubelt hat. Bald sind sie aber immer tiefer ins Gebirge gekommen, und immer höher isfs hinaufgegangen. Da hat auch die Freude und die Lust bald ein Ende gehabt. Immer frostiger ist er geworden, immer wilder haben die Sturmriesen auf sie eingeblasen, immer enger sind die Wege geworden, immer tiefer haben sich die Abgründe vor ihnen aufgetan. Ein ums andere Mal ist eine Lawine mit Donnerkrachen an ihnen vorbei ins Tal gefahren. In der Luft sind hoch über ihren Köpfen die Geier gekreist. Immer finsterer sind ihre Mienen geworden, zum Lachen haben sie schon lange nichts mehr gehabt! Sogar die Rösser haben die Köpfe hängen lassen und vor Frost gezittert. Plötzlich sind sie aber vor einem wilden, zerklüfteten Felsenlabyrinth gestanden. ,,Jetzt stehen wir vor dem Tor zum Zwergenreich", hat der Meister Hildebrand gesagt. ,,Diese Bergkuppen sind die Wächter. Ihr müßt mir jetzt ganz dicht auf den Fersen folgen. Keiner darf nach rechts oder links abweichen." So haben sie seinem Rat gehorcht und sind dicht beieinander geblieben. Auf schmalen Irrgängen sind sie durch dämmrige Schluchten und durch wüste Felstrümmer dahingezogen. Rechts und links von ihnen sind wilde Bergströme in die Tiefe gesaust. Da und dort hat sich ein Stein aus dem Fels gelöst und ist krachend in der Tiefe zerschellt. Dann war es auf einmal still und friedlich. Jetzt waren sie am Ziel.

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