Herr Janosch, bitte rufen Sie 10! Von Gunther Alois Grasböck Schon am frühen Nachmittag sammeln weißbeschürzte Frauen den Müll von der Wiese in graue Plast iksäcke. Am Büffet drängen sich Kinder und Wespen. Im Restaurant verrät mir der kroati sche Kellner e inen Schachzug. Mein Sohn gewinnt fast immer, sage ich. Der Kellner lächelt. Die slawi sche Bedienerin hat ein Pflaster auf der großen Zehe, läßt ihre Schuhe neben der Theke stehen. Meine zwei Töchter nehmen nur je eine Gabel voll vom Faschierten Braten. Der zahnlose Rentner im Eck trinkt Bier, ißt Schnitzel. Über die Treppe hinunter ein Feuerlauf. Di e letzten Wiesenflecken werden mit Handtüchern beworfen. Die Sonne plärrt, hinten donnert ein Lastzug vorbei . Die Kleine kommt aus dem Becken gerannt. Ein Schwimmflügerl geht immer aus! Stoppel auf, Flügerl runter, Reserveflügerl rauf, blasen, Stoppel rein , ab ins Becken. Ein Mann schneidet sich mit Glasscherben die Pul sadern auf, angeblich weil er nichts mehr zu trinken bekommt. Rettung fährt ein , Poli zisten funken. Ein Bub zeigt stol z, daß er einen di cken Blutspritzer abbekommen hat. Cornetto Erdbeer ist aus. Tägli ch hundert Schilling fürs Eis, seid ihr wahnsinni g? Der Mann im Roll stuhl liest Readers Digest. Alugestänge knackst. Der Tätowierte zieht unaufhörlich se ine Runden, Zigarettenschachtel und Feuerzeug in der Linken. Di e Frau , welche täglich dreißig Längen schwimmt, läßt sich den Buckel schmi eren. Schüler tanzen ums Sprungbrett, stoßen mit den Ellbögen, japsen, springen ins Wasser. Sogar der Schatten drück t. Bademeister weißbehost in jeder Ecke. Der Chef, souverän , gebraucht Blicke statt Pfe ifer!. Väterli ch kräuse lt sich sein Schulterhaar. Das Taucherbecken brummt. Eine Flasche fällt und zerspringt. Aber Gregor! 36 Ich verliere eine Partie Schach nach der anderen, mein Sohn kichert. Heugeruch kitzelt di e Nasenwände. Der alte Mann zieht umständlich einen Doppler Most aus seiner Kühltasche. Die Serben gehören ausgeräuchert, sagt er zu seinem Freund . Früher im Cafe Stark, sagt se in Freund, heute im Stadtbad. Das Stadtbad ist das einzige, was uns geblieben ist. Es macht ihm Mühe , an der Zigarette zu ziehen, trotzdem genießt er sie. Die Kroaten sind aber auch nicht ohne, sagt er. Was können di e Kinder dafür, ruft eine Frau aus ihrem Liegestuhl. Mein Blick in die Birkenkrone wird unterbrochen: Die Kleine hat sich die Ferse aufgeritzt. Freundlich ist der junge Badmeister mit einem Pflaster zur Stelle. Jetzt ist die Kl ei ne stol z auf ihre Wunde. Ich blättere in einem Buch, die Hitze trocknet den Sinn der Worte, ich lege es beiseite. Di e warme Schinkensemmel schmeckt fad, Kühltasche ins Bad schleppen freut mich nicht. Mein Sohn bettelt um Eis. Ich gebe ihm dreizehn Schilling. Mund waschen, sonst kommen die Wespen! Schlechte Luft in den Wechse lkabinen, glitschige Fußspuren ineinander. Die Ausländer schl agen sich gegenseitig die Köpfe ein, sagt ein Bauer. Die Traktorfahrt gestern war schön , li spelt se in Sohn . Die Flüchtlinge erfreuen sich am Augenblick. Sie atmen dieselbe Luft wie wir, denke ich, schlucken dasselbe Chlorwasser. Nicht vom Beckenrand springen! Der Bademeistergehilfe hebt den Zeigefinger, wobei sich seine Hand in der Pfeiferlschnur verhängt. Eine Welle schl ägt mir ins Gesicht. Spucken, Husten. Ich treffe Bekannte. Du auch hier? Nicht am See? Die Kleine macht schrul lige Tauchversucile, läßt sich rücklings ins Becken fallen , die Größere schwimmt behende knapp unter der
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