Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1995

UNTERHALTUNG Auf König Artus' Spuren Eine England-Reise von den Dover-Cliffs bis nach Cornwall Von Prof Fran z Braumann Meine erste Englandfahrt vor nun schon vielen Jahren geschah auf dem „klassischen" Reiseweg: Eine Nachtfahrt im Schnellzug bis nach Ostende, im Morgengrauen auf dem Fährschiff über den „Kanal ", bis die we ißen Kreide-Cli ffs von Dover aus den ziemli ch unruhigen Meereswogen emportauchten . Ich lernte den Zweck der Plastiksäckchen verstehen , die greifbar überall an Deck hingen. England ist ja noch eine sehr „junge" Inse l, denn der Einbruch des Ärmelkana ls geschah erst gegen Ende der Eisze it vor kaum 20.000 Jahren, und di e Meeres ti efe zw ischen England und Frankreich beträgt nur se lten mehr al 50 Meter. Sicherlich wurden auch bereits damals Menschen vom Kontinent ge trennt , aber doch auch die ältes te Steinzeitku ltu r entwi cke lte sich schon in ähnli chen Formen wie auf dem europäi schen Festland. Am Ausgang der Steinzeit entstanden gerade auf der eng li schen In se l di e größten rätselvoll en Steinmale, die in Europa ni cht se inesgleichen aufwiesen . Und eine Rei se zu der Vorgeschichte und Kulturzeugen des Mittelalters war diesmal mei n Ziel. Das Flugzeug landete mittags im Süden Londons auf dem Flughafen Gatwick, wo auch schon ein vorbestel ltes Mietauto wartete. Die Linksfahrweise hätte mir wohl Probleme gemacht , aber ich besaß ja einen jungen Begleiter wie einst Tobi as in der Bibel den Engel. Di esmal umfuhren wir den Verkehrsriesen London im Süden . Die erste Nacht in einem parkumschlossenen Landhaus schenkte den wen igen Gästen einen tiefen Frieden wie se lten mehr auf di eser Welt. Als am nächsten Tag über we itgeschwungenem Bauernland mit tausend we idenden Schafen Stonehenge auftauchte, erschien der erste Anblick wenig überraschend : ein Haufen unregelmäßi g aufgestellter Steinblöcke! Die Nähe wirkte dann allerdings fas t beklemmend . Die kreisförmig aufgeste llten Steine, die wegen der in acht Metern Höhe darübergelegten Kolosse „Hängende Steine" benannt wurden , haben ein Gewicht bis zu 100.000 Kilogramm: Welche Technik war den Erbauern vor etwa 4.000 Jahren schon behilflich, daß sie 80 km und bei den etwas kl eineren „Bausteinen" bi s 300 km weit herbeigeschafft werden konnten? Genau zur Sonnenwende fa ll en die Strahlen des Sonnenaufgangs auf e inen bestimmten Einschnitt des Altarsteins - so li eß sich der Kalender des ganzen Jahres ermitteln. Stonehenge als Stätte des Totenkultes bezeugen die rund _350, jetzt all e untergepflügten Hügelgräber. Uber Jahrtausende herüber weht heute noch dem Nachdenklichen tiefer Jensei tsg laube und hohe Geistigkeit entgegen! Man müßte um Mitternacht im Sternenschein unter dem riesigen Steinmal stehen! Am Tage jedoch zerstört der Betriebsrummel der tausenden Besucher, die tagtägli ch durch 100 Busse herangeführt werden und Stonehenge zu einem der mei stbesuchten „Weltwunder" machen, jede Ti efe der unermeßbaren Ze iterfahrung. Ein prickelndes, frisches Baden an einem der hundert freundlichen Badeorte der engli schen Südküste wuchs bald wieder alle Betrübni s ab. Unser nächstes Ziel galt „Köni g Artus' Spuren"! Wer war diese sagenhafte Gestalt, die heute noch Tausende, vor allem junge studierende Menschen, zu ganzen Wallfahrten zu den an ihn erinnernden Stätten bege istert? Nach den heute nicht mehr prüfbaren Quell en war Artus ein kelti scher Fürstensohn , der um 450 geboren wurde, gegen die Ange ln und Sachsen, die als neue Eroberer aus eiern Festland kamen, heldenhaft kämpfte, auf der Burg Tintagel hoch über der Iri schen See lebte, Cornwall dem iri schen Christentum öffnete, um 503 im Kampf fiel und inmitten der Klosterruine von Glastonbury begraben li egen soll. Der Gesch ichtse rzähler Nennius e rhebt Artus bereits zum Köni g, der inmitten ei ner Tafelrunde von Rittern und Bischöfen den 33

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