Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1994

geschäft. Eva meinte, ,,der Freund von der Gabi heißt auch Apffel. Soll ich die Gabi mal anrufen?" ,,Nein", schrie Erich aufgeregt, ,,sag niemanden etwas von dem Fund". Nach einigen schlaflosen Nächten wandte sich Erich an seinen Rechtsanwalt. Dieser riet ihm, alles einem Auktionshaus zu übergeben und den kostbaren Schmuck versteigern zu lassen. Das sei völlig legal. Nach einem halben Jahr war der Schmuck versteigert und das Geld auf Erichs Konto überwiesen. Der Betrag war so hoch, daß die Kunzmanns nun schuldenfrei waren. Es war auch noch genügend Geld vorhanden, um die Wohnung stilgerecht einzurichten. Erich saß zufrieden im Wohnzimmer auf der Couch und fragte Eva: ,,Was meinst du, sollen wir das Geld, das wir aus der Versteigerung noch haben, einem guten Zweck spenden?" ,,Das ist eine gute Idee", freute sich Eva. ,,Wemwir das Geld spenden, entscheiden wir nach unserem Einweihungsfest." Das Fest rückte näher. Alle Freunde waren gekommen und bewundertenWohnung und Einrichtung. Manch einer flüsterte dem anderen zu: ,,Die werden jetzt Schulden haben, daß es nur so kracht!" Auch der Freund von Gabi, ein gewisser Abraham Apffel war er schienen. Bei der Begrüßung fiel Abraham sofort die wunderschöne Brosche auJ', die Eva an ihrer Bluse trug: ,,Eva", fragte er erstaunt, ,,wo hast du denn dieses schöne Stück her? Das muß sehr alt sein. Ich versteh' nämlich was von Schmuck - ich habe mal Goldschmied gelernt. Bereits meine Großeltern hatten ein Juweliergeschäft ." Erich bekam nicht mehr mit, was Eva dem Abraham antwortete. Mit weichen Knien schlich er zur Hausbar, schenkte sich einenCognac ein und trank ihn gierig aus. Als die Gelegenheit günstigwar, ging er zu seiner Frau und machte ihr Vorwürfe: ,,Du hast mir nicht gesagt, daß du was von dem Schmuck behalten hast." ,,Be42 ruhige dich, Erich, nur eine Brosche behielt ich." Im Laufe des Abends sprach Erich scheinheilig den Abraham an: ,,Sag mal, Abi, ich habe gar nicht gewußt , daß deine Großeltern ein Juweliergeschäft hatten ." Abi meinte : ,,Das ist eine lange Geschichte. Lange vor dem 2. Weltkrieg wurde das Geshäft komplett ausgeraubt . Ich glaube, die Versicherungkam für den Schaden auf. Möglicherweise hat derRaub meinen Großeltern das Leben gerettet . Denn sie verließen danach Deutschland und entgingen somit den Judenverfolgungen. Nur die Oma war lange traurig, sie hatte auch ihren ganzen privaten Schmuck verloren. Der Opa beruhigte die religiöse Oma damals mit einem Bibelspruch. Der Apostel Paulus schrieb imErstenBrief, 2. Kapitel an seinen Schüler Timotheus, wie sich gottesfürchtige Frauen verhalten sollen, nämlich so, daß die Frauen sich in würdiger Haltung mit Schamhaftigkeit und Sittsamkeit schmücken sollen und nicht mit Haarflechte und Gold oder Perlen oder kostbarer Kleidung." Abi erhob sein Glas undprostete Erichzu: ,,Hoffentlich ist derDieb glücklich geworden.Trinken wir auf ihn bzw. auf seine Nachfahren ." Zwei Wochen nach dem Fest war im Hause Kunzmann wieder Ruhe eingekehrt. Eva drückte Erich die Brosche in die Hand und sagt: ,,Ich will sie nicht mehr. Verkaufe sie. Dann können wir mehr Geld spenden." Eva blickte Erich über die Schulter. Er hatte ein Blatt Papier vor sich, auf dem stand: SOSKinderdörfer, Krebshilfe, Aidshilfe. Erich fragte : ,,Wem sollen wir das Geld denn spenden?" Eva fragte zurück: ,,Was hältst du vom Gießkannenprinzip? Für jeden etwas." ,,Das ist gut", freute sich Erichund versprach: ,,Morgenmache ich einen Termin beim Notar. Dann setzen wir unser Testament auf. Alles ist nur geliehen. Wir geben alles zurück. Unser letztes Hemd wird keine Tasche haben."

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