Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1992

-allen Straßen, gegenüber weißen Besuchern unfreundliche Bewohner - mehr als einmal streckten Kinder die Zunge gegen mich heraus. Ich war aus Westen von Australien her nach West-Samoa gekommen und hatte kurz vor dem Archipel die „Datumsgrenze" überquert . So kam es, daß ich den Dreikönigstag, 6. Jänner, zweimal feiern konnte. Wer auf seiner Reise um die Welt gegen Osten fliegt, muß seine Uhr immer wieder um eine Stunde vorstellen. Auf der Datumsgrenze erhält er dann dafür einen ganzen Tag, 24Stunden, ,,geschenkt", sonst käme für ihn die ganze Zeitrechnung in Unordnung. Am Sonntag auf West-Samoa besuchte ich die „Papstkirche" Sankt Anna. Das bis zum letzten Platz gefüllte Gotteshaus überraschte mich sehr . Durch den Hallenbau brauste kräftiger Volksgesang . Jetzt verstand ich, daß die Regierung von Samoa nicht ohne Grund als§ 1 der Verfassung festgelegt hatte: ,,Samoa is foundet on God - Samoa ist begründet auf Gott ." AufderFahrtimMietautoerlebteich in den folgenden Tagen die Schönheiten der Insel. Ich überquerte das 600Meter hohe Urwaldgebirge. Während die Küste im Sonnenlicht leuchtete, floß über das wolkenumhüllte Bergland fast ständiger Regen herab. Wasserfälle schäumten über senkrechte Felswände - am prächtigstenwar der hundert Meter hohe Löwenfall. Im Süden der 1300 km2 großen Hauptinsel erwarten mich menschenleere Strände aus feinstem schwarz vulkanischen Basaltsand. Hundert Meter vor dem Strand draußen schützen zackige Riffwälle, über die zur Zeit der Flut weiß gischtende Wogen donnern und in den stillen Buchten m it unvorstellbar durchsichtigem Wasser verebben. An diesem verzaubert einsamen Strandwurde vor Jahren mit Gary Cooper der Film „Return to paradiese - Rückkehr ins Paradies" gedreht. Und auf dieser Insel schrieb einst Louis Stephenson sein weltber ühmtes SüdseeBu ch „Die Schatzinsel". Er baute sich einwahrhaft fürstliches Landhaus, das heute Sommer sit z des Fürsten von Samoa ist. Aus den paar Fischerhütten vor den Palmen am Strand laufen Kinder heran ; sie klettern wie Eichkätzchen auf die schräg über das Wasser hinaus wachsenden Palmen, kappen unreife Kokosnüsse undbietenmir die schalsüße Kokosmilch an. Sie schwimmen und tauchen wie Fische; sie hocken um mich und wollen wissen, woher ich komme. Europa ist ihnen unbekannt; alle weißen Besucher gelten hier als ,,Amerikans". Und ein paarWorte Englisch sprechen sie alle. Der Zeitenschritt ist hier anders bemessen als in der fernen Welt der Weißen. Die Zäsuren von Sommer und Winter fehlen . Wohl bringt die Regenzeit Zyklone und schmetternde Gewitter - sobald sich die Wolkenwieder teilen, funkeln die feuchten Blätter des tropfenden Dschungels, leuchtet der Ozean wieder so tief und blau wie seit Ewigkeiten her. Wird es den klug Regierenden von West-Samoa, die demokratisch aus alten Familiensippen gewählt werden, auch gelingen, den Einbruch des weißen, hektischen Lebensstils von ihren glücklichen Inseln abzuwehren? Sie besitzen wertvolle Kräftereservoirs in ihren festen Traditionen, die seit ihrer 1500jährigen Geschichte nie durch Unterwerfung unter fremde Völker oder Sklaverei unterbrochen wurden. Ihr · überraschend aktives Christentum läßt dies hoffen. Die Gefängnisse von Samoa sind kaum belegt. EinMord geschieht oft Jahre nicht, und wenn doch einmal, dann aus hitziger Eifersucht. Unmittelbar hungern braucht kein einziger Mensch auf Samoa. AmTage des Abschieds hebt sich das Flugzeug der „Pacific-Air-Lines" wieder von dem kleinenFlughafen Faleolo mit Kurs Osten, nachTahiti, in den wolkenlos tiefblauen Himmel. Samoa, die „Schat zinsel" Stephensons, gleitet hinter mir a ls grüner Strich unter den Horizont des Stillen Ozeans hinab. Sämtliche Drucksorten , Firmenprospekte Familiendrucksorten \f) VEREINSDRUCKEREI V/_ STEYR Blumauergasse 30 Telefon 0 72 52 / 27 8 49, 27 8 40 35

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