Gemeinde jenseits des Buchbergs wa– ren ihmmeistens fremd, aber er würde sich leicht durchfragen, bis er alle ab– geklopft hatte. Für die mißtrauische Schwester Barbara schützte er einen Fohlenkauf vor - er wollte ein junges Pferd aufziehen; das war seit kurzem wieder Mode geworden. Als er den langen Waldpfad hinter sich hatte, tr-af er auf das erste fremde Dorf. .,Grüß Gott, miteinander!" so trat er sanftmütig in jedes Bauern– haus, fragte nach dem Bauer und schielte nach den Töchtern. Er besaß dabei nun eine gewisse Fertigkeit. In jedes Haus, in dem er eine saubere, freundliche Anwärterin für den Adam– hof antraf, zeichnete er auf seinerListe heimlich ein Ringlein ein. Ein leichtes, heiteres Fragespiel brachte ihm dazu manche erschöpfende Auskunft. Es ging schon in den tiefen Nachmit– tag hinein. Hinter einem Wäldchen tauchte ein schmuckes, kleines Anwe– sen auf. Das mußte der Jogglbauer auf seiner Liste sein! Er pochte ans Stu– benfenster, und die Frau, die ihmöffne– te, lachte ihm entgegen, als hätte sie ihn schon erwartet. „Grüß Gott, Jogglbäuerin! Kennen wirst du mich ja nicht?" sagte er beim Eintreten, weil sie den fremden Bau– ersmann nun doch erstaunt musterte. Ein altes Bäuerl mit einer Aktenmap– pe unterm Arm traf man kaum einmal bei den Leuten hinterm Buchberg an. „Nein, das nicht!" schüttelte die Frau, die auch schon Silber im Haar trug, den Kopf. .,Komm herein, wenn du Gutes mit dir bringst!" Bald saß Dominik am Tisch und ließ sich Geselchtes und Most munden, während auf dem Haferacker vorm Haus ein Bursch und zwei Dirndln in der schönsten Jugend die Ackerknollen auf dem Saatfeld zerschlugen. Wieder ein Ringlein mehr! dachte er be– friedigt. Eine Weile kaute er schweigend und suchte einenGesprächsanschluß . .,Ein sauberes Bauerngut habt ihr beisam– men! Bei dir möcht' ich auch gern dein Bauer sein, Jogglbäuerin!" sagte er lachend. Die Bäuerin errötete jäh und beugte sich tiefer über den Nähkorb. Dominik wartete umsonst auf eine Entgegnung. Er wischte sich endlich den Mund ab und langte nach seiner Mappe. .,Jetzt müssen wir zwei wohl auch das Ge– schäftliche angehen. Oder kannst du dazu deinen Mann hereinrufen?" frag– te er. Auf der Liste las er laut: ,;vinzenz Vogl, J ogglbauer !"Dann blickte er ah– nungslos wieder auf die Frau hinüber. Es war in der Stube plötzlich ganz still geworden. Die Frau erhob sich mit blassem Gesicht. .,Zu dem kommst du wohlzuspät- meinMannVinzenzVogl ist im letzten Sommer gestorben!" Dominik vergaß bei dieser Antwort, denMund zu schließen. Er saß auf ein– mal verlegen und vernichtet vor Unbe– hagen da. .,Ach, die alte Namensliste ist schuld! Trag mir's nicht nach, Jogglin!" Sie suchte und fand bald ein begüti– gendes Wort. .,Jetzt mußt du mir aber auch sagen, wer du bist!" meinte sie lä– chelnd. „Hab' ich das nicht getan?" fragte er erschrocken. .,Der Adambauer vom Buchberg drüben bin ich." Die Frau blickte ihn schärfer an. Sie lachte heiter auf. .,Dann bist du ja der Dominik!" .,Du kennst mich - länger schon" fragte er betroffen. Sie tat mit der Hand eine leicht weg– werfende Bewegung. .,Lange schon! Damals bist du ein Bursch von gut zwanzig Jahren gewesen. Erinnerst du dich nicht mehr an die Marianne von Kienberg?" Da schien es Dominik, als hätte der Blitz vor ihm eingeschlagen. .,Marian– ne - meine Marianne bist du?" kam es ungewollt wie ein Zwang aus ihm. Er versuchte, seine Betroffenheit abzu– biegen. ,;vom ersten Augenblick an ist mir an dir etwas so vertraut gewesen." ' ,;vertraut?" Um ihren Mund legte sich ein Schattenhauch. .,Damals vor bald vierzig Jahren hab' ich lang noch auf dich gewartet. Der junge Adam– bauer ist aber nicht mehr gekommen. Dann hab ich hieher geheiratet und mußte es nie bereuen, mein ganzes Le– ben lang." Dominik senkte den Kopf. .,Ich bin le– dig geblieben, Marianne." 45
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