Der Suppentopf Eine heitere Erinnerung von Veronika Handlgruber-Rothmayer Eine freundliche Fügung führte michnachvielen, vielen Jahrenwieder in die kleine alte Stadt, die mir zur Zeit meiner jungen Ehe zweite Heimat ge– worden war. Voll freudiger Ungeduld unternahm ich gleich am ersten Vor– mittag einen Spaziergang, der sich allerdings auf das Stadtrandgebiet beschränkte, wo ich bei Freunden wohnte. Doch schon beim nächsten Rundgang zog es mich in das Stadtzen– trum, wohin mich meine Freundin begleitete. Plötzlich begann sie zu lachen: ,,Möchtest du nicht wieder einen Sup– pentopf kaufen?" fragte sie, und als sie mein verdutztes Gesicht sah, half sie meinem Gedächtnis nach: ,,Entsinne dich doch der Geschichte mit der Sup– penterrine, hier in diesem Geschäft war es, das damals freilich ganz anders ausgesehen hat." Nun wußte ich, was meine Begleiterin meinte, und jenes lustige kleine Erlebnis, das ich als jun– ge Frau gehabt hatte, stand wieder le– bendig vor mir : Bald nach unserer Hochzeit waren wir in die kleine Provinzstadt übersie– delt, wo mein Mann seinen Beruf aus– übte. Am ersten Tag zerbrach ich beim Auspacken der Geschirrkiste einen Suppentopf; zum Glück nicht den schö– nen aus Markenporzellan, sondern ein einfaches Stück, weiß und rund, mit zwei Henkeln versehen. Trotzdemwoll– te ich es so bald wie möglich durch ein neues ersetzen. Auf der Suche nach einem einschlä– gigen Geschäft entdeckte ich bald eines in der Nähe unserer Wohnung. Beim Betreten des Lokales erschreck– te mich ein lautes, blechernes Gebim– mel. Die Bedeutung dieser „Warnanla– ge" leuchtete mir schnell ein: Es befand sich nämlich keine Menschen– seele in dem mit Waren angestopften Laden. Im Hintergrund erspähte ich eine angelehnte Tür, durch die Klap– pern von Kochgeschirr ertönte. Dann schob sich eine rundiche Person mit einer blauen Küchenschürze herein, eine Duftwolke gerösteten Zwiebels hintersichherziehend,undfragtenach meinemBegehren. Nachdem ich einen „Suppentopf" verlangt hatte, griff die Frau ins Regal und stellte ein außen ro– tes Emailgeschirr vor mich hin. ,,Diese Größe, bitte?" fragte sie. „Nein, keinen Kochtopf, ich möchte einen weißen Suppentopf aus Porzel– lan", erklärte ich, worauf die Gute ein Waschlavoir, innen weiß und außen blau, zumVorschein brachte und eifrig anpries: ,,Sieht aus wie Porzlän (Por– zellan), ist aber Emal (Email), unzer– brechlich." Ich war ratlos und versuchte noch– mals zu erklären, was ich brauchte. Da trat ein Mann durch die Hintertür ein, verwies die Frau barsch in die Küche, wo der Zwiebel zum Gulasch bereits anbrenne und belehrte mich gönner– haft: ,,In an Porlänhäf'n kann ma ka Supp'n kochen!" Tief gedemütigt ver– ließ ich den Laden. NeuenMut fassend, betrat ich einige Straßen weiter ein anderes Geschäft, das sehr einladendwirkte. Eine streng– blickende, dunkel gekleidete Matrone empfing mich etwas von oben herab: ,,Waswünschen sie, liebesKind?" Zuge– geben, ich sah damals jünger aus, als ich tatsächlich war; aber die unge– wöhnliche Anrede hemmte mich so sehr, daß ich meinen Wunsch reichlich ungeschickt vorbrachte. Die strenge Dame runzelte die Stirn: ,,Wenn ich sie recht verstehe, mein Kind, wünschen sie eine Suppenterrinne, und zwar ein .Einzelstück. Bedaure, Einzelstücke führen wir nicht!" Also wieder nichts! Zum Glück fand ich noch eine Laden– tür, über der „Geschirrhandlung, Küchen- und Gartengeräte" stand. Ich trat ein; das heißt, ichwollte eintreten, verlor aber schon beim ersten Schritt den Boden unter den Füßen und lande– te, über mehrere Stufen stolpernd, in einer finsteren Höhle. Geisterhaft tauchte aus einer Ecke ein hagerer 39
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