FRANZ BRAUMANN: Heilere, am Anion 81111/tner Anton Bruckner ist als Komponist und Künstler schon zu Lebzeiten unter die Größten der Welt eingegangen. Als Mensch hatte er in seinem Leben man– ches Schwere durchzustehen. War es anfangs die Not und Enge seines Da- · seins, so machten ihm später oft Ver– kennung und künstlerischer Neid das Leben schwer. Er forderte sich aber auch selber ein hohes Maß an Ansprü– chen undPrüfungen an seine künstleri– schen Leistungen ab. Immer wieder zweifelte er daran , ob er auch in seiner Tondichtung stets das endgültige Be– ste herausarbeitete, und er wollte sich dies auch aus eigenem Antrieb bis ins reife Alter hinein durch strengste Überprüfungen und Herausarbeitung des letzten Schliffs in der Wiedergabe bestätigen. Sein persönlicher Lebensstil aber blieb dabei allezeit einfach, gelassen und voll Schlichtheit. Viele kleine Ge– schichten aus seinem Leben, getreu– lich von seinen Freunden und Zeitge- – nossen gesammelt, bringen uns diese liebenswert menschlichen Seiten im Leben Anton Bruckners plastisch nahe. Anton Brucknerwar jahrelangChor– meister der Linzer Liedertafel „Froh– sinn". Er studierte jedes Chorstück mit letzter Genauigkeit ein und ließ nicht die geringste Nachlässigkeit seiner Musiker durchgehen.Besondere Sorge bereiteten ihm die Stellenmit dem zar– testen Piano. Hier war er stets am schwersten zufrieden zu stellen. So hatte die Liedertafel wieder ein– mal ein Pianissimi geprobt, das neunte oder zehnte Mal bereits. Immer noch aber war der strenge Chormeister nicht zufrieden. ,,Das klingt allweil noch fast so laut wie a Trompeten! " segte er an der Stärke des Gesanges an dieser Stelle des Liedes aus, Den Sän– gern aber wurde es allmählich zu dumm. Einer von ihnen gab heimlich die Weisung aus: ,,Beim Pianissimo singt keiner einen Ton und macht das Singen nur mit einer lautlosen Mund– bewegung nach!" Und als dann diese Stelle des Liedes kam, setzten alle Sän– ger mit der Stimme ganz aus. Der Chormeister Bruckner schloß beim Dirigieren wie auch sonst an manchen Liedstellen die Augen und sagte hernach, übers ganze Gesicht glücklich strahlend: ,,So, jetzt war's richtig!" +++ Der junge Bruckner unterrichtete in Linz privat auch manche Söhne und Töchter hochgestellter Familien in Ge– sang und Musik. Auch in der Familie eines altadeligen Barons war er gern gesehen. Die Frau Baronin lud den schüchternen Hauslehrer auch einmal nach der Unterrichtsstunde zu einer Jause mit Kaffee und Guglhupf ein. Er, der sonst stets ein kräftiger Esser war, wußte natürlich auch, daß es zum gu– ten Ton gehörte, nur ganz mäßig zuzu– greifen und sich zu jedem Bissen nöti– gen zu lassen. Er tat auch dies noch sehr unsicher, und seine verlegene und gezierte Haltung brachte die aufge– weckten Kinder des Hauses bald zum heimlichen Kichern und Lachen. Bruckner bezog dies darauf, daß er vielleicht schon zuviel gegessen und getrunken hätte. Sosehr ihm der Gugl– hupf auch noch geschmeckt hätte, ließ ·er sich von einer neuerlichen dringli– chen Aufforderung der Frau Baronin zum Zulangen nicht mehr verlocken. Er wehrte ihre Freundlichkeit ab und wußte keine andere Entschuldigung vorzubringen, als zu stammeln: ,,Tau– sendmal schönenDank, FrauBaronin! Aber ich kann wirklich nimmer essen. Mir graust schon!" +++ Ein anderesmal gab Bruckner im Bürgerhaus eines reichen Kommer– zialrates dem Sohn Unterricht im Kla– vierspieL Die Familie fütterte ihn auch stets gut bürgerlich durch. Als hier wieder einmal das E is seiner Schüch– ternheit gebrochen war, zierte er sich auchgarnichtsosehrundaß kräftig an 37
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