Begleitern einige awarische Worte, als fragte er nach ihrer Meinung, was er antworten sollte. Seine mongolischen Augenunter der langhaarigenFellhaube schlossen sich bis auf einen schmalen Schlitz, als er mit einem halben Lächeln entgegnete: ,,Es war ein Ritt in ein Land im Frieden. Wir sahen keine Krieger zwischen demWaldrücken von Vindobona bis zu dem Fluß Enns." Tassilo nickte befriedigt. ,,Solang euer König die Abmachungen einhält, den Wald von Vindobona nicht zu überschreiten, übersetzt auch kein baierischer Krieger den Ennsfluß !" Der Aware antwortete nicht mehr darauf. Erwartete schweigend darauf , daß der Herzog zuerst zu sprechen begann. Die Awaren liebten Stühle nicht, die ihnen Tassilo anbot. Auf der Wandbank die Turmmauer entlang lagen prall mit Wolle gestopfte Sitzpolster. Auf seine einladende Geste hin legten sie diese auf den gehackten Eichenboden und ließen sich darauf nieder. Um den Gästen Höflichkeit zu erweisen, tat auch Tassilo dasselbe. Er hatte.die Türe geschlossen . Erbegann: ,,Die Zeit unseres letzten Vertrags, den wir nach dem Krieg in Karantanien schlossen , läuft bald aus. Er hat sich bewährt ; an den Grenzen herrscht Friede." Die Awaren schwiegen noch immer. So fuhr der Herzog· fort: ,,Mein Regnum ist seither gewachsen - an Volkszahl und Land." Der Oberste drückte wieder seine Augen zu - wie eineKatze, die schnurrte und noch die Krallen eingezogen hielt . „Dein Reich, Herzog? - Es ist ein Teil vom Reich des Frankenkönigs, unseres größten Feindes!" „Baiern ist in meiner Hand und wird es bleiben!" fuhr Tassilo auf. Er erkannte zu spät, daß ihn der Aware gereizthatte, ummehrvonseinenAbsichten zu erfahren, die er dann vielleicht unbeachtet aussprach - genau so war es gekommen! Die Unterhaltung stockte. Tassilo kaute an den Lippen . Er mußte vorsichtiger verhandeln! „Ich biete euch Frieden für weitere zwanzig Jahre, wenn - -!' er überlegte 38 noch einmal das letzte Wort, 'seine Bedingung. Als er schwieg, fragte der Aware: ,,wenn - ?" ,,Wenn auch euer König jeden Awarenkrieger zehn Reitstunden aus dem Niemandsland von der Donau bis nach Karantanien hinab zurücknimmt!" Nun war die Bedingung ausgesprochen . Tassilo spürte, wie die Spannung stieg. Hinter den unbewegten Gesichtern der Awaren war nichts zu lesen. Der Oberst übersetzte alles halblaut seinen Begleitern. Sie senkten die Köpfe und schlossen die Schlitzaugen fast ganz. Sie wiederholten sich im Geist nochmals den Auftrag ihres Cagan: Bringt einen Erfolg zurück oder kehrt nicht mehr heim; denn sonst rollen eure Köpfe! Jetzt verzog der Aware wieder sein Gesicht. ,,Zehn Reitstunden zurück, das ist eine große Forderung. Was gibst du für diese, Herzog der Baiern?" Tassilo hatte diese Frage erwartet. Jetzt meinte er sich im Vorteil. ,,Ich könnte das Kriegsheer der Franken jederzeit in mein Land rufen, dann seid ihr verloren . Ich werde das nicht zulassen - das ist meine Leistung!" Der Aware schüttelte den Kopf. „Wenn der Franke kommt, bist auch du verloren, Herzog. Wir müssen uns verbinden gegen Karl!" Gegen Karl? Tassilo erschrak . Er war mit dem Frankenkönig eng verwandt; seine Mutter war die Schwester Pippins ; des Vaters Karls. Wenn er den Vetter, der gleich alt mit ihm war, auch haßte, schreckte er doch vor einer Verbindung mit den Feinden des Frankenreiches zurück. Ganz im Hintergrund lockte die Vorstellung: Verbindung mit den Reitermassen des Cagan - bairische Kriegsheere und Awarenreiter erscheinen am Rhein - die Langobarden erheben sich in Italien - die Sachsen im Norden - das Frankenreich wird zerstampft unter zehntausend Hufen! Tassilo faßte sich mit einem Ruck. Das aber hieß Krieg, Blut , Tod von Tausenden seines eigenen Volks - nein, nein! Der Herzog schob diesen Vorschlag von sich, als wäre er gar nicht tödlich ernst gewesen. ,,verbündete ist ein schwer-es Wort; Vielleicht liegt es noch in der Zukunft - bleiben wir bis dahin gute Nachbarn!"
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