Gottes Erde Eine Erzählung von Franz Braumann Als Hans Hagner aus dem hohen Buchenwald trat, blieb er plötzlich wie festgebannt stehen. Ja, dort" grüßte es wieder von der Höhe herab, das Haus seiner Jugend. Es erhob sich stolz wie eine Burg auf der flachen Schulter des Berghanges. Weiß blinkte das Gemäuer über dem hellen Frühlingsgrün des Wiesenangers. Der steil aufgeschwungene sommerbraune Giebel ruhte gelassen auf den breiten Mauern. Hans Hagner kehrte nach fast fünf Jahren wieder in die Heimat zurück . Er hatte damals als Praktikant einer Fachschule das verlockende Arbeitsangebot einer großen Farmvereinigung in Amerika angenommen. In zehn Jah ren - dachte er damals - werde ich soviel erspart haben, daß ich mir selber in der Heimat eine Existenz aufbauen kann. Aber einMißgeschick, ein schwerer Lastwagenunfall, an dem er nicht ganz unschuldig gewesen war, brachte ihn zuletzt um alle Früchte seiner Arbeit. Die Mutter hatte schon seit Jahren geschrieben: Komm heim, komm bald wieder heim! Seine Schwester und auch sein jüngster Bruder, der den Hof übernehmen sollte, hatten aus dem Haus geheiratet . Der Vater mußte nun den Hof mit fremden Arbeitskräften führen - da hatte er sich mit einiger Überwindung auf die Heimreise begeben. Er hatte den genauen Tag seiner Heimkehr nicht gemeldet, er wollte unauffällig heimkommen. Heute war es soweit! Hans wurde mi't heller Freude empfangen . Die Hand des Vaters zitterte, als er seinen Sohn begrüßte. ,,Endlich bist du wieder da! Der ganze Hofwartet auf dich - auf eine starke junge Hand!" sagte er. Die Augen der Mutter schimmerten feucht. ,,Weil du nur wieder daheim bist! Jetzt mußt du ganz dableiben!" „Komm, geh mit mir ein wenig über die Felder, bisEssenszeit ist,' ' sagte der Vater. Während sie hinausschritten zwischen den Wiesen und Äckern, spürte Hans nach und nach, wie die Jahre in Amerika sein Wesen verändert hatten, Hans konnte es nicht in eine klare Erkenntnis fassen, was ihn bedrängte. Während er mit halbem Ohr die Worte des altenBauernaufnahm, starrte sein Blick reglos voraus. Nein, eigentlich gehörte er gar nicht mehr herein in diese friedliche Welt. Hatte er das alles nicht längst schonhinter sich gelassen, die Vertrauten Menschen und diese stille, einfache Bauernheimat? In seine Gedanken hinein hörte er den Vater sprechen : ,,Während du fort warst, hat sich auch hier manches geändert . Wir haben den Boden prüfen gelernt, unsere schmale, steinige Erdschicht , kaum zwei Spaten tief!" Hans horchte hin. In seinem Ohr dröhnten noch die schweren Überlandlaster auf den Asphaltstraßen Amerikas, brauste der Atem der lebensgierigen Städte. ,,Und du meinst, dieses winzige Leben da in deiner Hand wäre so wichtig?" Ein leiser Spott schwang mit . Der Bauer nickte. ,,Mir ist im Laufe der Jahre erst aufgegangen, was es bedeutet, ein Bauer auf Gottes Erden zu sein." Hans fühlte den Stolz und das Glück aus des Vaters Stimme. Aber zugleich wuchs in ihm ein leises Widerstreben und eine Abwehr. „Drüben habe ich ganz andere Dinge gesehen, wie sie mit dieser Erde umgehen." Der Vater sagte ruhig: ,,Das glaube ich dir, aber laß das! Es wird die Zeit kommen, wo du selber Bauer sein und mit diesem Boden leben wirst!" Hans schrak auf. Selber Bauer sein! Daran hatte er eigentlich noch gar nicht gedacht. Das kamunerwartet auf ihn zu, denn eigentlich sollte ja der jüngere Bruder einmal den Hof übernehmen. Da aber dieser auf einen großen Hof geheiratet hatte - wie sah es nun mit seinem Plan aus, nach einer anderen Lebensgrundlage auszuschauen? Erwarf einen Seitenblick auf denVater. Wie alt war dieser jetzt? Etwas über sechzig. Hier im Bauernland 37
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