Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1987

48 Veronika Handlgruber-Rothmayer: Besuch in der Stadt Es regnet. Und die Stadt ist grau in grau. Den Strauß hab ich vom lande mitgebracht. Den letzten Glanz vom Sommer einzufangen bemühn die Blumen sich in stummer Pracht. Bald ist es Zeit, die Gräber neu zu schmücken . Es wurden wieder mehr lm letzten Jahr, (der Schwager war genau in meinen Jahren) nichts wird mehr so, wie's früher einmal war. Die Uhr am Rathaus schlägt die steten Stunden verläßlich , wie leblose Dinge sind. Die Straßenlampen leuchten jetzt viel heller als damals, zu der Zeit, da ich ein Kind . Die Häuser änderten im Zug der Zeit ihr Antl itz. Neue wuchsen , hoch und fremd. Der alte Brunnen ist versetzt. Und Straßen such' ich umsonst, weil man sie anders nennt. Auch zu den Jungen find' ich kaum zurück. Die Menschen leben lauter in der Stadt. In ihrer Mitte bin ich ein Besuch nur vom Land, der Heimweh nach der Stille hat. Wie gut , daß ich noch immer rüstig bin . Wer alt wird , ist auf jeden Fall allein . Noch ein paar Jahre, dann . .. Wozu das Grübeln: Auch ich werd ' einmal sanfte Erde sein . .. Es regnet. Und die Stadt ist grau in grau. Nach Allerseelen fahr ich gleich zurück, und laß die Bürde der Erinnerungen hier bei den stillen Toten , Stück für Stück.

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