Der Göggl und das Schifahren Eine Erzählung von Karl Springenschmid „Hja, das Schifahren!" meint der Göggl daheim in seiner Stube, ,,das ist halt jetzt die große Mode. Wär ja bald so, daß einer, der bloß auf seinen zwei ehrlichen Füßen steht, der verrückten Zeit gar nimmer nachkimmt, so rennt sie davon. Noch nie ist die Welt so drunter und drüber gewesen wie jetzt. Es weiß ja keiner mehr, wo unten und oben ist, hinten und vorn, was Mandl ist, was Weibl. Na, na, und wenn das ganze Land Tirol auf Bretteln fahrt, i möcht meine Ruh haben, für mich ist die gache Mode nix. So, das ist jetzt meine Mein\mg über das Schifahren. Und damit basta!" Und zum Zeichen, daß darüber nichts mehr zu reden ist, haut der Göggl auf den Tisch und schaut dabei rundum und der alte Roßknecht nickt ihm zu und die Stalldirn auch. Dann steht er auf, nimmt Hut und Stock und macht sich fertig zum Gang ins Dorf. Ein richtiger Sonntag heut! Der Himmel voll Licht und Glanz! Der Schnee fein wie ein Hauch! Auf den Hängen nebenan staubt es hoch auf, wenn die Schifahrer darübersausen, und die Sonne spiegelt sich in den hellen Schneefahnen. Schwerfällig stapft der Göggl den steilen, engen Weg hinunter ins Dorf. Über Nacht hat es gefroren. Wo am Rain Wasser aufgeht und über den Weg rinnt, sind mächtige Eisplatten geworden. Einmal ums anderemal hebt es ihm vorne die Füße aus, daß er mit der Hinterseiten hinkracht auf das harte Eis. Nicht zum Weiterkommen ist auf so einemMarterweg, einemelendigen. „Hja, das Schifahren!" denkt der Göggl da. ,,Jetzt wär es grad nit schlecht, so mit zwei flinken Bretteln über die langen Wiesen abfahren. So ein Schifahrer schießt über die Schneewiesen dahin, vogelleicht und geschwind, daweil unsereins mühselig einen Schritt um den anderen tun muß". Während der Göggl mit solchen Gedanken über den vereisten Hohlweg hinuntertappt , kriegt er langsam eine bessere Meinung über das Schifahren. .,Zwei solche Brettel, leicht und führig, sakra, sag i, sakra! Bin i nit der Göggl? Kann i nit tun, was i will? Wen geht das etwas an? · Wann das Zeug bloß nit so teuer wär! Auf der Stell tät i mir jetzt solche Schi kaufen, sakra, sakral Überhaupt, wer nit mit der Zeit geht, der bleibt hinten! So ist es: Hja, das Schifahren !" Plötzlich, währendderGögglnochso sinniert , braust etwas durch die Luft daher ... Wolken sind da ... Etwas rauscht und dann - - - Krach! Erschrocken springt der Göggl zurück. Da sieht er ... Einen Schifahrer hat es hereingetragen! Wie einHaufenElendliegterda. Den Kopf tief drinnen im Schnee, den rechten Schi hinten auf dem Rücken, den Linken auf der rechten Seite, kreuzweis verdreht Händ' und Haxen ... Sprachlos steht der Göggl eine Weile und schüttelt den Kopf. Dann sagt er tief aus seinen Gedanken heraus: .,Hja, das Schifahren !" Irgendwo im Schnee drinnen stöhnt es schmerzvoll auf. „Ist etwas hin?" fragt er, faßt, als er keine Antwort erhält, irgendwo zu und zieht an. Dann breitet er den Schifahrer sauber auf den Weg hin, wie es sich gehört, den rechten Fuß rechts, den linken links ... Gott seiDank, jetzt schlägt der Arme die Augen auf. ,,Wo bin ich?" ,,Bei mir, beim Göggl !" Der Schifahrer schüttelt den Kopf. Er ist noch immer nicht ganz bei sich. DerGögglkniet sich über ihn und greift ihm die Gliedmaßen ab. 45
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