Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1987

und alle wandten sich. wieder ab, als hätte sich nur ein unerfahrenes Kind zwischen sie gedrängt. Dem jungen Hirten wollte ein böses Wort durch die Zähne, aber dann machte er sich stumm und enttäuscht auf den Rückweg zu der Hochalm im Gebirge, damit er sie vor der Dunkelheit noch erreichte. Peter hatte die Dorfstraße noch nicht verlassen, als ihm ein Bauer nachrief: ,.He, junger Hüter, morgen kommt der Schmied hinauf und treibt die Stiere ab!" Für Peter war diese Mitteilung eine neue Zurücksetzung. ,.Der Schmied! Und ich - ich wäre zu schwach dazu!" Der Zorn brannte ihm heiß herauf, und ein böser Gedanke lockte ihn, die herrenlose Herde auf derHochalm einfach im Stich zu lassen. Der Schmied, der mochte wohl stärker sein als er - doch daß Peter den ganzen Sommer mit den Stieren auf der Hochalm gelebt hatte, gabihmdasetwakeinRechtaufdenehrenvollen Auftrag des Almabtriebs? Aber es siegte bald sein Pflichtgefühl wieder. Im Geiste tat er jeden Schritt wieder, den er den Sommer hindurch hinter den ungebärdigen Stieren her gelaufen war. Er kletterte wieder alle Steige bis hinauf zu den Graten - und plötzlich sah er sich im Geist über den steilen Bergsattel oberhalb der Alm hinweg schreiten, hinab in ein Seitental - von dort zurück in das Dorf! Jetzt wußte Peter, was er tun wollte! Das letzte Stück des steilen Bergpfades hinauf begann er zu laufen. Der Nebel hing tief auf die hochgelegene Stieralm herein, und es blies ein kalter Schneewind von den Eisfeldern der Gletscher herüber. Die Stiere hatten sich alle nahe der Hütte gelagert. Die Dämmerung stieg aus den Schluchten herauf . Der junge Hirt schrie in einem wildenFrohlocken . ,.Auf, Stiere, auf!" und trieb die Rinder empor. Dem ·großen Glockenstier schlang er die Arme um den breitenHals undwies empor zu der Bergeinsattelung, die allmählich der Nebel verhüllte. ,,Dort hinauf müssen wir heute noch und drüben hinab! Wenn morgen der Schmied heraufkommt, soll er die Alm leer finden, hoho ! Irgendwo werden wir schon ·hinabfinden in das hintere Tal!" fügte er 40 ein wenig unsicher über seinen gefährlichen Entschluß hinzu. Er trieb rufend die Herde auf - im nächsten Augenblick erstarrte sein Schritt! ÜberdenAlmbodenschrittein Mann herauf - der Schmied! ,.Ja, ich bin gleich heute aufgestiegen, damit wir morgen frühzeitig die Stiere abtreiben!" sprach er ahnungslos. Er fühlte nichts von der Unruhe der jungen Stiere vor dem ihnen fremden Mann. ,,Wo ist der Kranz, der den Leitstier zum Abtrieb schmücken soll?" fragte er. ,.Paßt er überhaupt?" Peter fuhr heftig auf: ,.An den Leitstier darf nur ich heran, hat der Althirt im Dorf unten befohlen!" Dazu lachte der Schmied nur rauh. „Was willst du, Bub? Den Kranz finde ich auch allein!" Er trat in die Almhütte, wo er den buschigenLaubkranz bald fand . Aber der große Leitstier wich vor dem Schmied, der ihm fremd war, unruhig aus. ,.Du läufst mir nicht weit!" rief der Mann ärgerlich. Er drehte den Stier grob amGehörn herum. EinRuck - dann schob er diesem den Kranz über den Kopf! Die ungewohnte raschelnde Last war dem Tier zu rasch übergeworfen worden. Schnaubend riß es sich los und bohrte den Schädel mit dumpfem Dröhnen in den Boden. Der starke Schmied wollte standhalten, aber er wurde mitgezerrt undniedergestoßen. Einen Augenblick lang stieg in Peter eine böse Freude auf. Dannwarf er sich mit jähem Erschrecken dazwischen und scheuchte den wild gewordenen Stier von seinem Opfer Der Schmied konnte sich selber erheben. Aber bald drangBlut durch seinen zerfetzten Ärmel. Flµchend zerrte der Mann an dem schmerzenden Arm, der jetzt wie ausgedreht in der Schulter hing. Es wurde ein schweigsamer Abend in der Hütte. Der Verletzte stöhnte die ganze Nacli.t vor Schmerz. Auch Peter brachte kein.Auge zu. Der Sturmwind sprang johlend um die Hütte. Die Stiere tappten unruhig draußen unter dem Vordach hin und her. Sie spürten den Schnee, der schon in den Wolken hing.

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