Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1987

kein FünkleinMitgefühl empfand, weil man der Häßlichen kurzerhand das Herz absprach. Auch wir Kinder schlossen uns voll Neugierde dem Trauerzug an, der grotesk groß war. Ein ganzes Dorfwar auf den Beinen, um einem toten Kind das Geleit zu geben, dessen Vater man nicht kannte, dessen Mutter man nicht ern·st nahm. Hinter dem kleinen Sarg schritt die Anna, ganz allein und mit gesenktem Haupt, als schäme sie sich, die Trauer in ihren entstellten Zügen öffentlich zur Schau zu tragen. Vielleicht war auch gar kein Weh in ihr? Wer wollte es wissen, da niemand ihr Herz kannte? Später aber, als die Männer die kleine Truhe in die Grube senkten, begleitet von den eintönigen Sprüchen des Vorbeters, hob Anna ihr Gesicht zum Himmel und weinte in unsäglichem Leide. In diesem Augenblick war alle Häßlichkeit von ihr abgefallen, und sie ward plötzlich schön im Schmerz der klagenden Mutter. Von jenem Tag an vermochten wir nicht mehr, ihrer zu spotten. Stark gepfeffert Am unangenehmsten sind die liebestollen Halbstarken zwischen Fünfzig und Sechzig. * Die volle Gleichberechtigung der Frau ist erreicht, wenn sie die Koffer des Mannes ganz nach Belieben vor die Türe stellen darf. * Wenn der Kuß die Sprache der Liebe ist, dann wird in keiner Sprache soviel Unsinn geschwatzt. * Ohne die Schlange hätten die Männer nie entdeckt, wie süß di e Frauen und wie teuer Handtaschen sein können. * Das Fernsehprogramm wird erst besser, wenn man den Apparat so laut abschalten kann, daß man es im Senderaum knacken hört. RichardHofbauer: Die Todesparty Der Raum lag im Halbdunkel. Rauchschwaden hingen in der Luft und ließen die Anwesenden nur schemenhaft erkennen. Pärchen tanzten, eng aneinandergeschmiegt, andere saßen an der Theke; einsam lehnte in einer Ecke ein Mädchen mit langen blonden Haaren, die ein schmales Gesicht umrahmten und bis an die Hüfte reichten. Ihre Augen wirkten unnatürlich groß, blickten aber äpathisch ins Leere. Das schlanke, zerbrechlich wirkende Wesen sah aus, als wüßte es nicht, wo es sich befände . Jürgen Thor, einem ebenfalls noch jungen Mann, war dieses Geschöpf schon einigemal bei seinem Besuch in dieser Diskothek aufgefallen. Er setzte sich jetzt neben die kaum Fünfundzwanzigjährige. ,,Ist ihnen nicht gut?" fragte erbesorgt während einer kurzen Musikpause. ,,Ich heiße Rita !" sagte die Fremde, ohne Thor anzusehen, als hätte sie seine Frage gar nicht gehört. Plötzlich aber blickte sie furchtsam zur Decke auf und flüsterte voll Angst: ,,Sie werden mich holen!" „Kommen Sie !" sagte Thor mit fast befehlender Stimme und schob das Mädchen, ohne daß die Anwesenden davon Notiz nahmen, zur Tür. Als er sie öffnete, brüllte hinter ihnen wieder wilde Stereomusik auf. Wohltuend empfand er die frische Nachtluft und die Stille in der dunklen Straße. Wie aus einem bösen Traum erwachend, sah ihn die Unbekannte, die sich bis jetzt widerstandslos hatte führen lassen, anundbliebabruptstehen. ,,Ich brauche eine Spritze! Helfen Sie doch . . . bitte!" 35

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2