Werner Harden warf den Pinsel weg und ließ sich ins Moos zurückgleiten. Er blinzelte von unten her zu dem Bild auf, auf dem die rotverg]ühende Sonne gefangen war. Es war vollendet, nahezu vollendet. Was noch fehlte, war nur mehr eine Kleinigkeit mehr, aber diese Kleinigkeit war schwer, sehr schwer. Werner Harden hatte den ganzen Tag damit zugebracht und hatte am Abend wieder die Farben von der · Leinwand weggewisclit. Durch die Abendsonne kam ein Mädchen. Lene Loosen. Sicherlich würde sie ihn wieder fragen, ob das Bild noch immer nicht fertig sei. Er hielt für Ungeduld, was doch Angst war. Glaubte er doch, daß sie es nicht mehr erwarten könne, we_il sie ihm Modell gestanden war, und sich auf dem Bild bewundern wollte. Wie sollte er auch wissen, daß sie fürchtete, er zöge weiter, wenn das Werk vollendet war. Weiterziehen? Ach, das konnte er noch lange nicht. So lange jedenfalls, bis nicht in seinem Herzen die letzte Erinnerung an die andere erstorben war, an die, die sein Leben zur Qual gemacht hatte. Ohne die er nicht leben zu können glaubte und für die er doch nur ein Spielball gewesen war. Spielball unberechenbarer La,unen, die heute dem, morgen einem anderen ihre Gunst zuwandte. Er hatte es nicht gewußt, lange nicht. Und als er es dann erfahren hatte, war er gegangen. So schnell als möglich, um nicht in Verachtung erstikken zu müssen. Er glaubte, es könne keine Liebe geben, wo Verachtung herrsche, und hatte in bitteren Stunden erfahren müssen, daß sein Herz noch immer nicht freigeworden wa.r. Solange bis ihm eine andere geholfen hatte, Von Richard Hofbauer „Komm nur, Lene", rief er dem Mädchen zu und streckte die Hand nach ihr aus . Sprang dann schnell auf und warf ein Tuch über das Bild, bevor sie es sehen konnte. ,,Bald!" tröstete er als er die Enttäuschung gewahrte und wunderte sich, warum ihr Gesichtchen noch trauriger wurde. Lene saß wortlos neben ihm, bis er seine Hand unter ihr Kin,n legte und den Kopf zu sich aufhob. ,,Drückt dich etwas?" Ihr Kopf deutete zurück. ,,Du hast Besuch bekommen. " ,,Besuch?" „Eine Dame aus der Stadt." Ihr mißtrauischer Blick glitt über ihn, als ein Rot in seine Stirne flutete und die Augenbrauen sich zusammenzogen, daß sie als -ein Bogen über den hellen Augen standen. Er stand auf, nahm seine Staffelei und ging, ohne sich nach dem Mädchen umzusehen. Den Kopf tief gesenkt folgte ihm Lene. Sie blieb vor dem Häuschen scehen in dem er wohnte, und nur ihre Gedanken folgten ihm jetzt. Wie er ins Zimmer trat, die Türe hinter sich schloß, wie er die Fremde begrüßte, mit der er sehr vetraut sein mußte. Sie hatte doch so manches durchblicken lassen. Lene lauschte angespannt, aber sie verstand kein Wort. Die beiden sprach so leise, daß kaum ein Flüsterton aufklang. Die Fremde blieb, Nicht im· Haus, sondern in der Herberge, die etwa zwei Kilometer entfernt war. Aber sie kam am nächsten Tag wieder und ging mit Werner Herden in die Heide hinaus. Lene sah ihnen mit Augen nach, in denen alles Glück erstorben war. 45
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2