Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1986

Die dämmerige Helle hätte dem Vater genug Licht für den Gang über da.s Eis geschenkt - da wuchsen graue Nebel aus dem See empor! Ich sah es der Mutter an, wie sie blaß und unruhig geworden war. Sie dachte nur noch an den Vater. 11Bald muß er kommen!" flüsterte sie sich selber zu. 11Hätt' ich ihn doch nicht fortgehen lassen!" - - Um diese Stunde schritt der Vater in der kalten winterlichen Dämmerung auf dem steilen Waldpfad an den See hinab. Er hatte den Förster angetroffen und wa.r mit ihm höher hinauf in den Bergwald des großen Staatsforstes gestiegen, bis sie die erste lange Zeile geklobener Tannenseheiter erreichten. Der Handel war bald abgeschlossen. Der Förster meinte noch: 11Ich hätte dich gern noch zu einem wärmenden Schluck ins Försterhaus geladen. Aber deine Frau würde in Sorge sein, wenn du zu tief in die Nacht heimkommst. Hält das Eis überall auf dem See?" Der Vater lachte: 11Uber den See dürfte ich jetzt mit Rossen fahren, so stark ist es. Er bühlt und kracht ständig unterm Eis dahin von den Pressungen. Und das ist ein gutes Zeichen!" Auch jetzt bühlte es vor ihm auf dem langgestreckten See wieder auf. Neun Kilometer zog er sich hin, die Breite aber betrug kaum mehr als ein Viertel davon. So ersparte sich der Vater drei Stunden Fußmarsch um den See herum. Zwischen den letzten Stämmen dunkelte das Eis auf. Es war noch kein Schnee darauf gefallen; nur Rauhreif lag wie unzählige weiße Blüten auf ihm. Als er an dem Fischerhaus vorbeischritt, das ein wenig erhöht über dem Ufer stand, trat eben der alte Fischer aus der Tür. Er schaute mißtrauisch auf den späten Wanderer. "Hier ist der Fußweg am See entlang zu Ende. Wohin willst du so spät noch?" Der Vater wies hina,us auf das Eis. 11Hinüber zu unserem Dorf! Ich. bin ja. auch schon herüber auf dem Eis gekommen." 40 Der Fischer schüttelte den Kopf. ,,Doch nicht jetzt in der Nacht!" 11Warum sollte ich nicht gehen - bei dieser guten Sicht?" entgegnete der Vater und wollte nicht länger stehen bleiben. Er konnte das jenseitige Ufer - wohl im nächtlichen Dämmer verschwimmend - in blassen Umrissen erkennen. Der Fischer riet noch einmal ab . „In der Nacht täuscht die Sicht oft sehr. Drüben mündet ein Bach in den See - dort ist vielleicht das Wasser noch offen!" Der Vater kannte den Bach, der neben dem Moor in den See mündete. 11Ich gehe linker Hand weitab vom Bach drüben an das Ufer." Er wollte schon hinaus a.uf das Eis gehen, da hielt ihn der Fischer noch einmal zurück. 11 Warte ein wenig - ich will dir was mitgeben!" Er trat ins Haus zurück, und als er wieder erschien, trug er in seinen zwei hohlen Händen weiße, trockene Kieselsteine bei sich. 11Ein altes Mittel von mir. Ich rolle die Steinchen vor mir übers Eis und weiß aus dem Klang, ob es auch trägt." Der Vater dankte ein wenig nachsichtig über soviel Sorge des alten Mannes. Er trat auf das blanke, von Millionen Rauhreifblüten bedeckte Eis hinaus. Auf jeden Schritt antwortete es mit einem kurzen, harten Klang. Während der Tritt seiner Stiefel auf den See hinaus immer schwächer verhallte, versank auch hinter ihm das Ufer in Dämmer und Nacht. Der See lag unter ihm da wie unter mattem Glas. Plötzlich erlosch in seinem Spiegel der Schimmer der Sterne. Der Vater erkannte es unvermittelt, daß ein. rauher und immer dichterer Nebelschleier von der Höhe auf den See niedersank. Sogar der Hall seiner Tritte verlor den Klang in dem grauen Dunst und erschien dem Vater jetzt gedämpft und stumpf. Der Vater überwand ein kurzes Unbehagen. Er fing an, halblaut vor sich hinzupfeifen und achtete darauf,

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