Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1985

Jllos frbe Man war in der kleinen abendlichen Gesellschaft auf das Erben und auf Erbschaften zu sprechen gekommen und debattierte heftig, wiewohl keiner aus der Runde je eine Erbschaft gema,cht hatte, und wie man den Beteuerungen und Ausführungen entnehmen konnte, wohl bei keinem je eine zu erwarten war. Doch Beispiele gab es allenthalben, und die wunderlichsten Dinge waren zu hören. Aber schon war wieder neuer Gesprächsstoff eingebracht, Neues entzündet, auf daß sich daran die Gemüter erhitzen sollten, da warf die Gastgeberin noch ein: 11Doch - mir ward eine Erbschafr beschieden, besser gesagt ein Erbe!" Mit diesen Worten stand sie auf, ging a.us dem Zimmer, kam alsogleich wieder und hielt der erwartungsvoll blickenden Runde wortlos die geöffnete Rechte hin. Knöpfe lagen da in der sanften Höhlung der Handfläche, altmodische Knöpfe - auch Knöpfe sind dem Zeitgeschmack unterworfen - aber man konnte' sehen, daß es sehr schön~ Knöpfe waren, große schöne Knöpfe. 11Bergen sie wisperte eine stimme. ein Geheimnis?!" aufgeregte Frauen11Ein Geheimnis? · Nun ja, ma.n könnte es so nennen, ein .Geheimnis über Dankbarlseit, echte ehrliche Dankbarkeit." 11Erzähl.en!" kam der Ruf. ,,Nun, ich wollte damals eigentlich nur einen kleinen Höflichkeitsbesuch im Altenheim machen. Die Insassin, welcher der Besuch gelten sollte, war mir ja kaum bekannt, doch der Angehörigen wegen war es angebracht, mich doch auch einmal mit ein paar Blumen bei der alten Dame einzustellen. · · War es nun, daß ich mich bei der Zimmernummer ver:[1.ört ha,tte, war Eine Erzählung von WlNFRIEDE KOHLMEIGNER es, daß ich sie ganz einfach verwechselte - als ich nach einem kurzen Pochen, auf das ich keine Antwort bekam, die Türe öffnete, merkte ich gleich, dies hier war nicht mein Besucherziel. Die Alte dort, die halbabgewandt von mir, auf der Bettkannte saß, war nicht jene besagte Dame. Schon wollte ich die Türe wieder zuziehen, glaubte ich mich doch unbemerkt, als si.ch mir das runzelige (Altfrauengesicht ganz langsam zuwandte. Da trat ich vollends ins Zimmer, den Blumenstrauß als erstes Verständigungssignal schwenkend, einen zaghaften Gruß folgen lassend. Da, breitete sich ein Lächeln auf dem Gesicht der Alten aus, ein Lächeln, bei dem selbst ein Leonarda da Vinci Mühe gehabt hätte es einzufangen. Es war gemischt aus staunender Frage und seliger Freude - Mir, wirldich mir gelten Blumen und Gruß? Die Alte sprach vorerst nichts, wiegte nur immerzu den Kopf hin und her, dann wieder nickte sie. Unaufgefordert zog ich mir einen Stuhl heran, und im Niedersetzen fragte ich, wie es denn immer so gehe. Ach, meinte die Frau, wie es eben so geht mit hohem Alter und schmaler Börse. Ich blieb noch geraume Weile. Wir sprachen nicht viel, doch die Stille, die zwischen uns stand war nicht störend. Na,ch dem Warum und Wieso des Besuches, nach meinem Woher. da ward ich nicht gefragt, doch beitn Weggehen mußte ich mein ehrliches Versprechen abgeben, wieder zu kommen. Und ich kam, kam sooft es eben anging zu kommen. Und in dem ich ein paar Aufmerksamkeiten, vor allem aber meine Zeit verschenkte, wurde ich selber zur Beschenkten, denn die Alte hatte, trotz ihrer Armut, ihrer erschreckenden Armut, eine helle Heiterkeit an sich, Hei,terkeit die manchmal so rich- ·55

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