Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1985

treu Hufe aufgeklebt. Sehen ·konnten . die beiden Buben kaum, sie mußten sich auf Schritt und Tritt dem Halfterzug des Nubiers anpassen. Doch Luft bekamen sie genug durch die Schlitze vor und hinter dem Kamelhöcker. Aus der Tiefe dieser Brust drangen auch in Abständen die Schreie, die Fritzl bei der Kamelschau im vergangenen Sommer den Tieren abgelauscht hatte. Ober dem Platz lag eine Wolke von Weihrauchduft und die Menge lauschte voll Andacht den Darbietungen der Sternsinger in Lied und Vers. Zwischendurch bimmelten die Klingelbeutel, mit denen die Mesnerbuben durch die Leute drängten. Es gab aber noch einen Mann, der sozusagen zum Inventar der Marktgemeinde gehörte und der daher bei keiner Festveranstaltung fehlte, nicht immer zur ungetrübten Freude der Obrigkeit. Wie die mittelalterlichen Fürstenhöfe, hatte auch Sankt Damian seien Spaßmacher, seinen Marktnarren. Max, seines Zeichens Flickschuster, war wenig begeistert von handwerklicher Tätigkeit, er fühlte sich zu Höherem geboren, zur edlen Schauspielkunst. Ernstlich schadete er damit niemanden, er unterhielt mit seinen Spässen vielmehr die Leute. So war er auch 1diesmal beim Sternsingen zugegen und wußte eine Schaudermär zu berichten von dem gefahrvollen Weg, den die Weisen zurückgelegt h atten , nur um zum Christkind zu kommen, das gar so liab und arm in der Krippen liegt und für seine Brüder bitten tät, in den Ländern wo sie unter Kriegsnot und Hunger leiden, wo böse Tyrannen, einem Herodes gleich, ihnen na,chstellen. Ja, man sollte es nicht glauben, was solch ein kleiner Flickschu~ter zuwege bringt, mancher Augen wurden ob seiner Erzählungen naß, viele mußten sich schneuzen und in Maxens speckigem Hut klimperten nicht nur die Münzen, es rauschten auch die Scheine. Weil aber den frommen Mimen wieder einmal der Uebermut packte schwang er sich - o Schrecken - au f das Kamel. Ein Aufschrei, es sackte in der Mitte ein und die Köpfe von Fritzl und Klausi stießen in der unterirdischen Behausung zusammen. Die Betroffenen fanden die Sache äußerst peinlich, für die umstehende Jugend aber war es eine mords Gaudi. Meister Polster mußte seinem Werk wieder auf die Beine helfen und den beiden Buben gut zureden, trotz erheblicher Beulen, wieder weiterzuwandem, bis ein passender Stall gefunden wäre. Max ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, er erfand eine neue Geschichte und bat um ein Schmerzensgeld für das verunglückte Kamel. Die Leute lachten und zahlten. denn ein solch attraktives Sternsingen hatte es in Sankt Damia.n noch nie gegeben. Der Erlös kam ja jenen zu Gute, denen im Leben das Notwendigste fehlte . Maria Reisinger » ~as ./l1 est ist ~ee.t.'' Fort, - ausgeflogen sind sie, die Jungen. Vor zwei Wochen war Hochzeit - oder ist es schon länger aus, ich mußte mich einen Moment besinnen. Es ist der Sohn, der geheiratet hat, der einzige - nachdem uns unser geliebtes Mädchen im Alter von 16 Jahren ganz plötzlich gestorben ist. Das ist nun schon lange her, aber es tut noch immer weh. Wenn der Herrgott eine Tür zuschlägt, macht er ein Fenster auf - hat mir damals jema.nd zum Trost gesagt. Und diese Worte möchte ich jedem weitergeben, der glaubt, ein ähnliches Schicksal nicht überwinden zu können. Ulrich brachte uns mit seiner jungen Frau eine zweite Tochter. Wir Eltern dachten oft daßselbe: wie wird sie sein• - was wird werden? · Hundert ähnliche Gedanken kamen und gingen. 53

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