Schwer war der Kampf, der nun in Innern Adams tobte: Auf der einen Seite das geliebte Mädchen, a.uf der anderen Seite seine Heimat, ,,sein Paradies" . Die Arbeit ging ihm jetzt Illicb.t mehr vonstatten vor lauter überlegen, und er konnte und konnte zu keinem Entschluß kommen. Als er wieder einmal so in Gedanken versunken bei der Arbeit saß, hörte er plötzlich das aufgeregte und ängstliche Gezetter einer Amsel. Das ist sieb.er „Abendflöte" - so hatte er bei sich die Amsel benannt, die oberhalb seines Schlafzimmerfensters im Geäst der großen · Linde ihr Nest gebaut ha,tte und die ihm jeden Abend ein wohlklingendes Ständchen bereitete. . Als Adam' Nach.schau hielt, sah er den Eichkater 11Knax" ganz nahe am Amselnest. ,,Nah wart nur, du Schlingel! Gleich läßt du das Nest in Ruh!" Mit diesen Worten schwenkte Adam ein Tuchstück. zum Fenster hinaus und verscheuchte so den Eichkater, der ja auch zu seinen Freunden zählte und dem er drüben beim Birnbaum •immer wieder Nüsse auslegte. Er hatte ihn Kna.x getauft, weil er die ausgelegten Nüsse immer gleich so hurtig aufknackte. Mit einem tollen Sprung war der Eichkater zum Birnbaum gehüpft und in einem Astloch verschwunden. Gleich darauf steckte er aber wieder den Kopf hervor und lies ein lustiges „Kech, Kech" vernehmen, das sich wie ein verhaltenes Lachen anhörte. Kaum war der Eichkater verschwunden, schwang sich die Amsel hoch in den Wipfel der Linde und flötete ihr lieblichstes Dankeslied. Da ging ein helles Leuchten über die Züge Adams. Er tra,t vom Fenster zurück, setzte sich an den Tisch, nahm Papier und Feder und schrieb: Liebe Margi~! Soeben bin ich in unserer Angelegenheit zu einem Entschluß gekommen. Du wirst es wahrscheinlich nicht verstehen, wenn ich Dir sage, daß mir eine Amsel und ein Eichkater dazu verholfen haben. Ich bleib in meinem Paradies. Dos ·Phönomen VON KARL SPRINGENSCHMID Sebastian Wurz, unser Briefträger, war ein Phänomen. Er hatte - verrückter Mensch! - Angst vor Urlaub. Jahrela.ng war es ihm unter tausend Ausflüchten gelungen, sich um den Urlaub herumzudrücken. Immer neue Vorwände fielen ihm ein, um dem drohenden Urlaub zu entg.ehen. Schließlich, als niclits anderes mehr helfen konnte, mußte _ihm die Gemeindevorstehung offiziell seine Unentbehrlichkeit bestätigen. Das half ihm wieder für ein Jahr weiter. Mich interessierte der Fall psychologisch. Bei einem rekommandierten Brief und einem guten Glas Enzian ,,interviewte" ich ihn. ,,Urlaub?" kippte er das erste Glas hinunter, blickte mich aus rotgeränderten Augen mißtrauisch an und schüttelte sich wie ein naßgewordener Hund. „Urlaub?" Das zweite Gla.s! Mehr war nicht in ihn hinein- beziehungsweis'< aus ihm herauszubringen. Ein Unikum, wahrhaftig, in dieser urlaubsfreudigen Zeit! Urlaub, so versuchte ich mir den Fall zu erklären, war für ihn etwas völlig Sinnloses, ein drohendes Nichts, eine Leere, die ihm die gewohnte Ordnung störte, gewissermaßen eine Zeit, die er nicht gelebt hätte. Unheimlich so etwas : Man lebt und lebt doch nicht. Wahrhaftig, das muß einen Menschen, wie den Sebastian Wurz, umbringen. , Doch schließlich machte die Postdirektion ernst. Keine Einga,be, kein Protest half mehr. Schon traf d~r Mann, der ihn während des Urlaqbes vertreten sollte, auf dem Postamt ein. Das Unheil nahm seinen Lauf; Sebastian Wurz hatte Urlaub und mußte dem anderen vorscb.rift~- mäßig den Dienst übergeben. Dem anderen? Das sollte ein Briefträger sein? Ein richtiger Briefträg~r muß eine Persönlichkeit sein, muß Vertrauen ausstrahlen. Wieviele Botschaften werden ihm anvertraut, wie41
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