Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1985

östlich der Pfarrkirche. In nächster Nähe des Bauernhauses liegt die hübsche, geräumige Kapelle, a.n die sich seitlich ein kleiner Glockenturm anschmiegt. Wann sie so ansehnlich erbaut worden ist, weiß man nicht; wahrscheinlich an Stelle einer kleineren Kapelle, um dem Gnadenbild eine würdige Heimstätte zu geben. Auf einem sehr niedrigen Altartü,che erblickte ich nun nach meinem Eintritt in tiefer Rührung die altehrwürdige Muttergottes-Statue, von der ich längst wußte, nach der ich aber so lange fahnden mußte. Ein überaus liebliches Antlitz blickte mich an, der Körper aber war nach barocker Mode in ein weites Kleid gehüllt und ein entzückendes Jesuskind im linken Arm der Mutter erfreute mich. Welche Verunstaltung die Statue in der Barockzeit erfahren hatte und wie der Zahn der Zeit es beschädigt hatte, davon später. Die Figur ist aus Lindenholz geschnitzt und die stehende Madonna ist 165 cm groß. Nach dem Urteil von Kunstkennern (Dr. G. Gugenbauer und Dr. E. Hainischl, die ich befragte, stammt sie aus der Zeit von 1470 bis 1490. Alle diese Schenkungen und Stiftungen sind ein Beweis hiefür, welch große Verehrung Maria in unserer Statue gezollt wurde. Dem machte di e oben angeführte kaiserliche Verfügung vom Jahre 1784 ein Ende. Fa.st 3 00 Jahre war das Marienbild in der Pfarrkirche gestanden und heuer sind 200 Jahre voll, daß es in der einsamen Bergkapelle steht . Wenn auch in dieser Zeit den Leuten das Wissen von der Vergangenheit der „Bertl-Muttergottes" entschwunden ist, so lebte die Erinne rung daran in ihrer Verehrung fort . Manches Votivbild gibt Zeugnis hievon. fährlich geht di e Maiprozession am Chris ti Himmelfahrtstag zu diesem Marienheiligtum. Seinerzeit pflegten die Großraminger an ihrem Osterßeichti:a,g hieher zu wallfahrten: Im Laufe der J ahrc wurde das : Gna·den34 bild einmal bei Nacht einer kostbaren Halskette beraubt. Eine hohe Summe wurde auch vor Jahren dem Besitzer des Bertlgutes um das alte Kunstwerk angeboten. Dem Braven aber war es um Geld nicht feil. Nachdem nun die Vergangenheit der alten Ma.rien-Statue wieder bekannt war, begann eine Periode ihrer Hochverehrung. Sie wird besonders durch den Ortspfarrer, Kons .- Rat Singer, gefördert. Vorerst wurde die Statue wi'eder erneuert. Bedeutend waren die Schäden, die Zeit, Natur und Menschenhand ihr zugefügt hatten. Im Inneren war sie vom Wurm zerfressen, in den unteren Partien von der Feuchtigkeit fast ganz zerstört, die Fassung und Vergoldung schwerst beschädigt und mit Bronze und Ölfarbe ganz unfachgemäß übermalt. In welch ba,rbarischer Weise man die Figur durch Abhacken der Schnitzfalten einst kleidsam gemacht hat, wurde bereits erwähnt. In dieser Zeit der Bekleidung der Statue bekamen Mutter und Kind auch große, unschöne Me tallkronen aufs Haupt. Das Kindlein hatte man auch mit einem Lendenschurz aus geleimter Leinwand bekleidet. Zwecks fachgemäßer Erneu erung wurde nun da.s Bildwerk über Veranlassung des Herrn Pfarrers im Herbst 1946 zur Entwesung vom Wurm n ach Wilhering gebracht. Dann kam es nach Linz in die Werkstätte fü r kirchliche Kunst, die in der Baumbachstraße von Meister Firlei geführt wird. Hier wurden nun die alten Fassungsreste abgedeckt, die ursprüngliche Farbe freigelegt, das Holz gegen Wurm und Feuchtigkeit gefestigt und di e fehlenden Teile der Gewandfalten in Holz ergänzt. Der Mantel wurde neu vergoldet (Polymentvergoldung) und die fachgemäße Ausbesserung der alten Fassung des Kleides und der F1 eischteile durchgeführt . Wunderhold blickt das Muttergottesbild jetzt den Beschauer an: an Stelle der: unschönen Metallkronen ziert der Stirnreif, wie :einst, das

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