Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1983

Margarete Gründler Um die Forsthube ist es aper geworden, denn der Koloman fegt nach jedem Flockenwirbel den Schnee weg und die Mittagssonne tut das übrige. Er ist vierzig Jahre Heger gewesen da, heroben auf dem Berg und im kleinen Gütl hat er nun sein Ausgedinge, weil -es nach ihm niemand mehr bewirtschaften wollte, seit die neue Waldstraße den Forstarbeitern jeden Abend die Heimkehr ins Dorf zu ihren Familien gestattet. Dort haben sie ein angenehmes Wohnen in den neuen Gefolgschaftshäusem. Aber der Koloman kann sich von der alten Keusche nicht trennen, in der er jahrzehntelang mit Weib und Kindern gehaust hat. Jetzt ist er a.llein, die Kinder in .alle Welt verstreut und eines Tages haben sie auch sein Weib geholt. Ein Büschel Enzian hat er ihr an die Brust gesteckt, so tief blau waren die Kelche, als treu sie auch zu ihm gestanden ist, in all den harten Jahren. Aber das Leben geht weiter und jetzt hat er Zeit, seine ärmliche Behausung ein wenig auszubessern, in ,das Da,ch neue Schindeln einzufügen und den Mauem einen frischen Anwurf zu geben. Die alte Kammer hinter der Küche hat er in eine saubere Stube verwandelt, mit frischen Dielen versehen und einer Vertäfelung aus Fichtenholz. Das Mobilar verrät die kunstfertige Hand des Schnitzers; eine Bettstatt steht drinnen, die jeder Fürstin würdig wäre, aber Fürstinnen sind heute Mangelware und Schlafstellen werden am Fließband verfertigt. Wie dem auch sei, mancher Professor aus der Großsta.dt hat schon in der guten Stube übernachtet, wenn er daheim in seinen Büchern nicht fand, worüber ihm der Koloman unschwer Aufschluß geben konnte. Nicht immer ist es die Wissenschaft, die uns das Geheimnis von Gottes Schöpfung zu erschließen vermag, vielmehr ist es ienes feine Gespür, das manchem Men.. sehen gegeben ist, wie eine Gnade. Dieses Fühlen und Erkennen beginnt mit dem Morgentau und der aufgehenden Sonne, mit dem ersten Vogelruf; liegt im Glast des Mittags, der über den Wäldern brütet und im Mahnen der Dämmerung zur Ruhe der Nacht; schwingt mit dem Sturmwind, fällt im prasselnden Regen herab und liegt träumend unter dem tiefen Schnee. Laut und Verhaltungsweise der Tiere werden zur deutlichen Spra,che, Wachsen, Knospen und Blühen der Pflanzen zur Offenbarung. In diese hohe Schule ist der Koloman gegangen, ohne daß er sich dessen so recht bewußt wurde, ist dieses Wissen ein Teil seiner selbst geworden. Jetzt steht er vor dem Hackstock an der Hauswand und spaltet das Fichtenholz, das ihm vom letzten Windbruch als Deputat zugeteilt worden war. Zäh und goldig rinnt das frische Pech über die Späne und der harzige Duft dringt in seine Lungen. Mit einem Mal hält er in seiner Arbeit inne, setzt sich auf die Hausbank; · sein Blick schweift in die Feme, zum Greifen nahe scheinen heute die Berge, das deutet auf Föhn, auch am Atem merkt er es. Oder ist es das Alter, das sich allmählich ankündigt? Aber jetzt, da ihm etwas so Liebes geschenkt wat d, möchte er doch noch ein pa.a.r Jahre... Sein Wahlenkelkind, die kleine Französin, seine liebe Celine ! Er schließt die Augen und lächelt ein wenig, gleich muß sie erscheinen vom Berg herab auf ihren Brettern. Sie kommt seit drei Jahren jeden Win43

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