starrte auf die kahle Wand. Warum sitze ich hier? Hat mich das Leben in eine Sackgasse verschlagen - oder stehe ich vor einem neuen Anfang? ... <. * Das Schultor stand weit offen, als am nächsten Morgen die ersten Kinder daherkamen. Ein neugieriger Knabe kletterte auf die Lehne der grünen Hausba.nk und spähte in das Zimmer hinein. Gleich sprang er wieder herab . „Er ist schon drinnen! " rief er mit rotem Kopf. Die paar Mütter, die mit den jüngsten Schülern gekommen waren, drängten hinter den anderen in den dunklen Hausgang und hinauf über die eichene Stiege, zur offenen Klassentür in den sonnendurchfluteten Raum hinein. Der neue Lehrer n ickte den grüßenden Kindern schweigend zu. Die Mütter wagten sich nur bis zur Tür. Da mußte Meinrad Klinger lächeln, als er fühlte, daß er auf einma,l Respektperson geworden war. Er führte die jüngsten Kinder an der Hand zu ihren n euen Sitzen. Mit Erleichterung traten die Mütter in halblauten Gesprächen wieder aus dem Hause. Die Spannung in der Klasse wurde unerträglich. Der schweigsame Mensch begann den Kindern unheimlich zu werden. Da begann der Lehrer das Märchen vom König Drosselbart zu erzählen . Die Kinder wurden still und lauschten. Und als Meinr.ad schwieg, saßen sie n och eine Weile verzaubert da. Die Schule war ihnen plötzlich wieder vertraut, die Gerüche h eimelten sie an , sie hatten vergessen, daß ein fremder Mensch vor ihnen stand. Der Stimmen schwall der Kinder brach auf wie ein lange zurückgestauter Gießbach . Der Vormittag ging fröhlich vorbei. Vom Turm klang melodisch die Zwölf-Uh r-Glocke. Heute durften die Kinder . der einklassigen Schule früher als gewöhnlich nach I-fause geh en. 36 Als das Getrappel der schnellen Füße über die Stiege hinab verhallt war, setzte er sich aufatmend hinter das Katheder. Die Beine waren wie Blei, der Kopf schmerzte ihn - es erschien ihm, als hätte er sich mit dem Unterrichten in, die allerschwierigste Tätigkeit eingelassen. Vor einer Woche noch hätte er eine Stelle in der Redaktion einer Zeitung in der Stadt antreten können. Hatte er sich falsch entschieden? Sein Da,sein hing sozusagen immer noch frei im Raum, von jeder Endgültigkeit entfernt. Etwas drängte ihn jetzt unwiderstehlich, noch heute aus diesem Dorf am Rande der Welt fortzugehen und wieder unterzutauchen im Menschengewühl der großen Stadt. Er blickte nieder auf die unbeholfen beschriebenen Hefte. Ganz allmählich · ging etwas Warmes, Werbendes von ihnen aus . Meinrad sah wieder die Kinder vor sich, scheu, vertauend - da wußte er, daß er bleiben würde. über das hügelige Land hauchte der Atem des Herbstes. Am Morgen zogen die brüllenden Herden des Weideviehs vor dem Schulhaus vorbei, und die Kinder erkannten aJ.1 dem Klang der Weideglocken, wem die Herde gehör te. Die Berge im Süden standen zum Greifen nahe. Die Buben trugen die Taschen voll scheckiger Kastanien, und an manchem Morgen l agen leuchtend rote Äpfel für den Lehrer auf dem Tisch. Nun lebte er bereits den zwei ten .lvlonat im Dorf als Einsamer, den nur die Kinder hiel ten . Heute fühlte er den ungebärdigen Föhn durch alle Fasern seines Körpers glühen. Er saß gleichsam betrachten d vor sich selber, er wartete lauernd auf .jede Regung seiner Seele und sp:a,ltete sein Ich in immer durchsichtigere Seiten au f. Als am Nachmittag die Kinder fort waren, 1 schritt er auf einem Fuß pfad unter di e im Föhns turm schwanl,enden Wipfel des Waldes h in - ein. Die langvergessenen Tage der Kin dheit stiegen wieder h erau f. Ach,
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