PROF. FRANZ BRAUMANN: ~as::}-akt mi~Cktistine An jenem Morgen im Herbst zeigte sich der Himmel in einer eigen ar tigen Beleuchtung. Die Wolken im Westen hatten sich voneinander get rennt! teils schwermütig lastend, dann wieder in einer flockigen Regellosigkeit zogen sie unter dem milchweißen Firm am ent dahin. Der junge Leh rer Meinrad Klinger spürte die eigenartige Stimmung, als sich auf dem Kamm der Anhöhe unter den letzten Tannen der Blick auf das jenseitige Land wie durch ein Tor öffnete. Zwischen den Wolkenlücken streiften weiße Strahlenbündel über die Landschaft und hoben minuten- -lang das Grün einer Wiese und jetzt das Rot von Ziegeldächern in eine schimmernde Helle. ,,Das Dorf! " sagte mit einer knappen Handbewegung der Begleiter Meinrad Klingers. Meinra.d Klinger schien es, als erwachte er aus einem Traum. ,,Und das Schulhaus?" fragte er. Der andere lächelte über die Ungeduld des Fragenden. ,,Oben hinter der Kirche steht es. Wenn du in deiner Stube im Schulhaus das Fenster auftust, kannst du alles überschauen - das Land, auf dem alle Jahre das Getreide wächst, unter dir an der Staße entlang die I{äuser der Bauern, rechter Hand der Pfarrhof und linker Hand drüber dem Bach das Wirtshaus. 11 Vielleicht erzählte er noch weiter. Meinrad Klinger hörte nicht mehr hin, als hinter der hochgelagerten Kirche ein Haus auftauchte, die Schule, die nun seine Heimat sein würde. Heimat für ihn, der als Kind aus einem fernen Land vertrieben worden war, von dem nur die Mutter zuweilen wie von einem Märchen erzählt hatte. Der Fahrer kannte den Hausbrauch. Er holte aus dem Nachbarhaus den Torschlüssel. Meinrad erschau erte ein wenig, als er in das leere stumme Haus trat. Der al te Lehrer war schon vor zwei Mon aten ausgezogen. Meinrad h atte kein e Möbel. Oben im Dachboden fan den sie einen leeren Eichenschrank. Sein Fah rer, der Bote des Dorfes, n aJf ihm diesen über die Stiege hinabzutragen . Er hatte ihm auch gesagt, daß er den Schlüssel zum Schulhaus vom Bürgermeister geholt h atte und daß auch Meinrad sich dort heute noch vorstellen sollte. Als er nach dem Einräumen seiner Habseligkeiten das Haus des Bürgermeisters betrat, lag die Stube in weißem Sonnenlicht. In breiten Bändern schimmerte es auf dem weißblonden Haar eines Bauernmädchens, das am Tisch hantierte. Als sich diese umwandte fiel ihr Blick auf Meinrad, der sie ' verzaubert anstarrte. Ein Gesicht durchscheinend in seiner hellen, für ~in Bauernmädchen fast zu zarten Haut. Augen, in, denen das Blau irisierend zerschmolz - so brannte sich 1 ihr erstoo Anblick MeiilI'oo in die Seele. Das Mädchen Christine fragte errötend: ,,Wer seid Ihr denn?" Als sich der Lehrer vorgestellt hatte, rumpelten draußen Tritte über die Diele. In der Tür erschien der Bauer mit seinen Söhnen. Als er wußte, wer Meinrad war, lud er ihn zum Tisch. 11Als Bürgemeister werde ich ja noch öfter mit Euch zusammenkommen!" meinte er. Und die Söhne trugen später aus einer Kammer des geräumigen Hauses eine Bettstatt, Tisch und Stühle in das Schulhaus hinüber. Meinrad hatte sich eine möblierte Dienstwohnung erwartet. Am Abend saß Meinrad wieder in seinem Zimmer im Schulha.us und 35
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2