Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1983

CARL HANS WATZINGER Zu Ende des I. Weltkrieges, am 18. Nov. 1918, starb in Steyr ein Mann, k:ler mit seiner Kunst vielen Menschen Freude geboten in hat - Edmund Köstler, der „Hans Sa.chs von Steyr", wie ihn Musikdirektor Franz Xaver Bayer, der Schüler und Freund Anton Bruckners, stets benannte. Denn Edmund Köstler war auch Schuhmacher (allerdings zu seinem Schmerz), freilich aber kein Poet, sondern eben Sänger dazu, was in frühen Zeiten dasselbe war. So gewinnt unser Künstler, ein Sänger von Gottes Gnaden, an, Beziehung zu dem berühmten Nürnberger Bürger und ·schuhmacher, der, wie man aus der Geschichte weiß, in seinen - damals üblichen - Wanderjahren auch in Wels (nicht aber in Steyr) zugekehrt ist. Edmund Köstler wurde am 30. Oktober 1861 als jüngster Sohn eines Gerbermeisters in Linz/Donau geboren. Nach dem frühen Tod seiner ~utter heiratete der Vater wieder, und aus dieser Ehe kamen dann noch 5 Kinder hinzu. Während sich seine älteren Brüder den Studien widmen durften, zog man klein Edmund zu Arbeiten im Haus, vor allem zur ·Beaufsichtigung der jüngeren Geschwister heran. Sein Wunsch, ebenso wie die Brüder, die noch unter der behütenden Liebe der leiblichen Mutter herangewachsen waren, ein: mal seinen Neigungen leben zu dürfen, wurde deshalb auch nicht er- ·füllt, er mußte zu einem Schuhma,cher in die Lehre. Dabei hat es ihn · schon bald zur Bühne gezogen. ·Es scheint überhaupt Theaterblut in der Familie .gewesen zu sein; einer seiner Brüder war später als · Ballett- 'nieister tätig. Edmund Köstler hingegen schnitzte · bereits als Schüler Marionetten aus Holz und führte sie in einem Spiel vor. Den Eintritt, den en für den Besuch der Vorstellung einhob, t\!ilte er mit den Geschwistern. Bei solcher Veranlagung ist natürlich eine Schusterlehre mehr eine Qual als Freude. Es ist auch zu verstehen, daß die Sehnsucht nach dem Theater, wenn ein Mensch sie in seinem Blut trägt, in doppeltem, ja vielfachem Ma.ße zunimmt, wie zugleich die Möglichkeit schwindet, jemals eine künstlerische Tätigkeit ausüben zu können. So auch bei Edmund Köstler. Die Militärzeit brachte er bei der Artillerie hin, trat dann bei der Linzer Polizei ein, blieb aber nur kurz dort. Inzwischen war er dem ,,Gutenbergbund" beigetreten, und in einem Konzert dieses Vereins, in dem er als Solist mitwirkte, hörte ihn der zufällig anwesende Redakteur des Steyrer 11Alpenboten" Josef Grimm. Er vermittelte ein „Gastspiel" bei einem Konzert des Steyrer Männergesangvereines 11Kränzchen", das im Hotel „Zum goldenen Schiff" am Grünmarkt stattfand. Dr. Herma.nn Spängler, der Vorstand des „Kränzchen", bewog nun den ·Sänger, den die Natur mit einem prachtvollen Baß beschenkt hatte, nach Steyr zu übersiedeln. Edmund Köstler gab dieser Aufforderung nach, und in Steyr widerfuhr ihm auch die Gen~gtung, wenigstens in größerem Umfang, wenn auch nicht ganz - anfangs betrieb er, nunmehr verheiratet, eine Schusterwerkstätte, später war er als ,Magaizineur -in der Österreichischeµ :waffenfabrik A. G., dieser weltbelrühmt-· grwordenen ,Wernql'schen 1 Grünctung, angestellt seiher · Kunst lebtn,. zu dürfen. :215

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