Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1983

und ging in seine Wohnung hin ab . Nachdem einige Stunden später die schwatzende Schar über die Stiege herab fortging, klopfte es an seiner Tür. Christine stand vor ihm. ,,,Willst du dir nicht die Kränze ansehen, die wir gebunden haben?" Natürlich wollte er das! Christine lief mit beschwingtem Schritt über die Stiege vora,us. Sie hüpfte in das Schulzimmer, bis sie mitten zwischen den Blumenkränzen stand. Die nach einer alten Regel geübte Zusammenstellung der Blumen rief ein wunderbar abgestimmtes Farbengleichmaß hervor. Christine stallJd noch immer inmitten der Blumen. Ihre Augen strahlten in einem abwesenden Lächeln, ihre Lippen zitterten. Von den schlaff herabhängenden Armen spreizte sie die Finger wie geziert ab. Meinrad stieg das Blut heiß in den Kopf. ,,Du bist schön, Christine!" Er trat auf sie zu. „Gib acht, die Blumen!" rief sie und streckte abwehrend die Hände gegen ihn a.us. Ehe er in die Mitte der Kränze kam, war Christine bis an das Fenster zurückgewichen. Bis Meinrad sie erreichte, hatte sie sich gefaßt. Ehe er etwas sagen konnte, kam sie ihm mit einer Frage zuvor: ,,Sind die Kränze nicht schön?" Sie wartete keine Antwort ab, hob den ersten Blumenbogen auf und hielt ihn über sich, daß sie wie unter einem blühenden Torbogen stand. „Weißt du auch, daß die Blumen geweiht werden?" Meinrad hörte nicht dara.uf, was Christine sprach. Ihn erfüllte ein Gedanke so sehr, daß er alles übrige überhörte. ,,Ich hab dich lieb, Christine! " In diesem Augenblick stieß das Mädchen einen erschreckten Laut aus. Es bog sich wie eine Gerte vor seinem zufassenden Arm zurück und sprang mitten durch die Kränze davon. 212 Meinrad fiel wie aus allen Himmeln. Er wollte der Entfliehenden nacheilen, aber die Kränze am Boden hinderten ihn dara.n. Dann schlug das Haustor hallend zu. Er blickte zurückschauend tiefer in viele Begegnungen mit Christine hinein. Aber heute war Christine bei seinem ersten bekennenden Wort geflohen. Meinrad saß bis in die Nacht hinein vor den Kränzen der Mädchen . .. Die Glocken läuteten einen leuchtenden Fronleichnamsmorgen ein. Meinrad hatte Christine unter den Mädchen in der Prozession nicht entdeckt. Als der Umgang bendet war, entließ er die Kinder, dann ging er hinüber zum Haus des Bürgermeisters. Er klopfte kurz und trat in die Stube. Christines Mutter hatte verweinte Augen. Ehe er fragen konnte, begann sie zu klagen. ,,Ich weiß nicht, was mit Christine geschehen ist. Heute a.m frühen Morgen ist sie zu ihrer Base in die Stadt gefahren." „Wo finde ich Christine - ich will zu ihr fahren!" Jetzt verstand aufeinmal die Mutter alles. Sie schüttelte den Kopf. ,,Ich soll es niemand sagen, wohin sie gefahren ist. Christine hat es sich ausbedungen!" 11Hat sie etwas erzählt - von mir?" Die Frau wurde zurückhaltender. ,,Nichts hat sie gesagt, Lehrer!" Auf der Straße überfielen ihn bittere Gedanken. Hattest du gehofft, eine neue Lebensmitte zu finden? Bautest du nicht im Innersten schon dein Jahr auf Christine? Was trägst du für ein Zeichen, daß auch sie so tief vor dir erschrickt? Christine war vor ihm geflohen. Sie war ihm zugetan - das spürte er längst. Und doch scheute sie vor der letzten Entscheidung zurück. Meinrad Klinger tat Tag für Tag seine Aufgabe in der Schule, aber die Kinder fühlten seine Last - doch vieL

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