es behutsam auf den Tisch stellte. Sie standen sich wortlos gegenüber . Er wurde eingefangen von ihren Augen, in die unerwartet eine Schwermut gesunken war. Das Lächeln auf ihrem Gesicht erschien ihm wie ein Widerspruch. „Wir haben uns gedacht, du sitzt so einsam im Schulhaus und hast keinen Menschen, Lehrer. Peter, mein Bruder, hat noch ein Bäumchen geholt, und ich h ab ein paar Kugeln und Fäden darauf gehängt. - Aber du hast mich jetzt angeschaut wie einen Geist, Lehrer! " sagte sie verwirrt. Konrad fiel nicht gleich das rechte Wort ein über seine Gedanken an den unglücklichen Vorgänger. So verschwieg er es lieber und sagte nur: „Vielleicht hab' ich mich wirklich eben einsam gefühlt, Johanne. Aber mm bist du ja gekommen!" Sie entzündeten die paar aufgesteckten Kerzen. Später trug sie noch weihnachtliches Gebäck aus dem Vorhaus herein und öffnete immer noch verlegen eine flache Schachtel . Sie enthielt ein leicht geblumtes Kinderkleid. ,,Die Mutter hat gemeint, das solltest du dem bravsten Mädchen in deiner Klasse geben, Lehrer. Du kennst die Kinder ja alle besser als wir und weißt, wem das Kleid am meisten not tut." Johanne breitete es auseinander. Konrad fand kein Wort, das ihm für diese Stunde genug gewogen hätte. Er hob schweigend seine Geige aus dem Kasten, prüfte die Saiten und spielte das Weihnachtslied. Während Johanne mehr mitsummte als sang, liefen ihre Wangen wieder rot an. Konrad spielte sich in eine stumme Verzauberung hinein. Eine atmende Lebenswärme erfüllte die schmale Stube im Schulhaus. Stand nicht die Mutter wieder unsichtbar neben ihm? Und der Vater mit seinem ernsten Gesicht? Als die Geige schwieg, sagte er: Das Kleid wollen wir heute noch der ältesten Mesnertochter bringen. 11 Beim Mesner hatten sie vor ein paar ' 55 Wochen das sechste Kind bekommen . ,, Ich gehe mit dir hinüber, Johanne." Sie löschten die Lichter und traten rnitsammen aus dem Haus. über dem Dorf stand eine kalte, windstille Nacht. Vor einer Woche oder zwei war Neumond gewesen. Jetzt hing eine gelbe, frostige Sichel über den Dächern des Dorfes. Johanne h atte sich auf der eisglatten Straße in Konrads Arm eingehängt. Er drückte ihren Arm fester an sich, und ihr wurde allmählich das Sonderbare ihres Zusammenseins bewuß t. Vor der Brücke über den Bach, hinter dem das Mesnerhaus stand, hielt sie an. ,, Ich kehre jetzt um, Lehrer. Trag du das kleine Geschenk zum Mesnerdirndl ! 11 Er wollte sie überreden, mitzukommen, aber sie nickte ihm noch zu und lief schon über den Dorfplatz zurück. Wenn Konrad sein Verhältnis zu dem Mädchen betrachtete, fand er Vieles daran sonderbar. Er kannte Johanne schon ein halbes Jahr, und sie waren ohne viel Einleitung auch Freunde geworden. So war es geblieben - aber er dachte jetzt zurück an unbestimmte Sehnsüchte, die er nie besonders beachtet hatte! Im Mesnerhaus jensei ts der Brücke begrüßte man den späten Gast verlegen und freudig. Hedwig, die Zwölf_ jährige, war Konrads beste, aber vielleicht auch ärmste Schülerin. Während sie hochrot in die Kammer lief, um das Kleid gleich anzuprobieren, saß die Mutter mitten in der Kinderschar und schämte sich, daß ihre Augen naß geworden waren. Der Mesner war nicht zu sehen. Konrad brauchte nicht zu fragen - der saß auch heute unten beim Wirt und soff. Ihn rettete niemand mehr . Als Hedwig glücklich wieder eintrat, stand sie wie verwandelt. Sie wagte sogar eine Bitte: 11Singen Sie doch heute in unserem Kirchenchor bei der Mette mi t, Herr Lehrer, bit te !" 11Wie kommst du auf diesen Gedanken?" wunderte sich Konrad.
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