bllrtbnad)t in fiodJtbann Von Franz Braumann Konrad Hauser, der Lehrer der Einödschule Hochthann, blickte auf das schmale abgegriffene Buch nieder, das jetzt vor ihm auf dem Tisch lag. Auf den ersten Blick mutete es wie das Geschäftsbuch des alten Krämers im Dorf unten an, in das dieser die kleinen Verkäufe eintrug, die die Dorfleute nicht gleich bezahlten. Und als er die' vielen engbeschriebenen Seiten aufschlug, erwies sich auch der Inhalt als etwas Älmliches: Das Buch enthielt die Schulchronik von Hochthann. Jeder Schule war es aufgetragen, über Ereignisse in Schule und Dorf in einer knappen Form Buch zu führen. Konrad blätterte darin ein wenig; und er erkannte bald, daß ein jeder Lehrer, der einmal diese Schule geleitet hatte, die Chronik auf seine besondere Art geführt hatte. Auch Konrad wollte in den kommenden Weihnachtstagen, die er zum erstenmal nicht bei Freunden in der Stadt draußen verbringen würde, denn seine Eltern hatte er durch einen bitteren Unfall verloren, diese Schulchronik fortführen. Die einfachen Daten über Schülerstand und das Schulleben fand er in den Amtsschriften, die er führen mußte. Doch über das Dorf und sein eigenes Leben hier hatte er noch keine gültigen Worte gefunden. Er blätterte in früheren Niederschriften. An einer Stelle hielt er an und las: 11 ••• und der diese Zeilen einträgt, stammt aus einer ganz anderen Lebenswelt als der in dem kleinen Dorf hier. Er wollte den Schatten entrinnen, die ihn schon lange verfolgen. Aber in der Einsamkeit gedeiht alles, das man in sie mitbringt, noch wuchernder. Daß ich in diesem Ort nicht alt werde, das fühle ich ... " Auf der nächsten Seite jedoch hatte eine andere Hand die Feder geführt: 11 ••• Er mußte damals aus dem hohen Giebelfenster des Scliulhauses gestürzt sein. War es ein Unfall gewesen? Bei dem Begräbnis schritt fast das ganze Dorf hinter dem Sarg ..." Konrad war erblaßt. Es war an diesem Heiligen Abend schon so dunkel geworden, daß die weitere Schrift vor ihm verschwamm. Er lehnte sich jetzt zurück und schloß die Augen. Hatte jener ferne Menschenbruder nun seine Ruhe gefunden? Oder tastete sein Schatten noch ruhelos die Stiegen des alten Hauses auf und ab, und seine Seele mußte drüben zu Ende bringen, was er so jäh abgebrochen hatte ... ? In diesem Augenblick ging unten leise knarrend die Haustür. Konrad wurde sekundenlang starr. Als er tastende Schritte die Holzstiege herauf hörte, saß er immer nocl1 wie in den Stuhl gebannt. Er empfand keine Furcht, aber er erwartete unbestimmt etwas wie eine Offenbarung. Selbst als er ein zaghaftes Klopfen hörte, mußte er sich anstrengen, bis er ein heiseres 11Herein!" über die Lippen brachte. Die Tür schob sicl1 langsam auf. Knisternde Fichtenzweige streiften an, schwach funkelnde Kugeln klirrten leise - ein Christbaum scl1webte ihm entgegen! Als Konrad dahinter Johanne, die Tochter des Kaufmanns, erblickte, sprang er auf und scl1altete die volle Raumbeleuchtung ein. 11Johanne, du kommst heut nocl1 zu mir?" Er sah, daß das Mädchen verlegen war. Er hatte sicl1 soweit gefaßt, daß er ihr das Bäumcl1en abnahm und 55
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