UNTERHALTUNG von Richard Hofbauer Einen märchenhaft schönen Anblick bot die Hafenstadt Hongkong von der -Terrasse des Drachenclubs aus. Hier merkte man nichts mehr von den scharfen Hafengerüchen nach Teer, Rauch, Fisch und Gewürzen. Und bis hierher drang auch nicht mehr das lebensvolle, hektische Getöse, zusammengesetzt aus Schiffssignalhörnern, Glocken der Fähren und dem Geschrei der Möwen. Ringsum sah inan nur die vielen kleinen, im Meer liegenden Felseninseln, die großen Oberseeschiffe und dazwischen Frachter, Jachten und zahllose Dschun_ken. Fasziniert schaute Jack Task auf das Bild vor ihm, warf aber dazwischen immer wieder einen Blick auf seine Uhr. Er war Amerikaner und erst einige Wochen in dieser pulsierenden Hafenstadt. Ungeduldig blickte er zum Terrasseneingang hin und atmete auf, als ein schlankes weibliches Wesen, von dem man nicht sagen konnte, ob es noch Mädchen oder schon Frau war, auf ihn zukam. Sie war von ungewöhnlich schlankem, hohem Wuchs, ihre Haut hatte einen bronzefarbenen Ton und das schmale Oval ihres Gesichtes verriet, daß sie eine Eurasierin war. Sie trug eine enge, schwarze Satinhose und dazu einen Seidenkasack mit chinesischem Muster. 11Hallo1 Sue! Freue mich, daß du endlich gekommen bist!" begrüßte er das Mädchen, das ihn anblickte, kurz nickte und dann eine riesengroße Sonnenbrille aufsetzte. 11Also gefällt es dir hier?" fragte sie in einem Englisch mit starkem chinesischen Einschlag. 11Für mich ist Stadt!" antwortete 11Hier würde ich immer bleiben!" es die schönste Task begeistert. am liebsten für 11Dann bleib hier!" stieß sie erregt hervor. 11Ich habe genug von dieser Stadt. Habe hier nur Elend, Not, Hunger und Demütigungen kennengelernt. Wurde yon Männern wie ein Stück Vieh hehandelt und in ein geschlossenes Haus verkauft. Als mir eines Tages endlich die Flucht gelang, habe ich mir geschworen, Huang-Han, dem einige solcher Häuser gehören, eine schöne runde Summe abzunehmen und dann diese Stadt für immer zu verlassen." Diese Worte kamen mit soviel Bitterkeit, Haß und Abscheu von ibren Lippen, daß er wußte, in dieser Frau die richtige Partnerin gefunden zu haben. Er ahnte, daß sie aus demselben Holz geschnitzt war wie er selbst. Daß sie keine Skrupel kannte und auch nicht sentimental war. Die richtige Partnerin also für einen Mann, der aus dem Zuchthaus entsprungen war und von der Interpol gesucht wurde. Denn wenn es nach Recht und Gesetz gegangen wäre, so hätte er noch fünf Jahre sitzen müssen. Da ihm aber die gesiebte Luft nicht behagte, hatte er die erstbeste Gelegenheit zur Flucht benutzt, hatte sich als blinder Passagier auf einem Frachter versteckt und war in Hongkong gelandet. 47
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2