Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1981

vor . Nie hatte sie ihm schöner gedünkt als in dieser Sekunde, da sie von allen verachtet vor ihm stand. Sollte, er noch mehr 'Schimpf und Spott über sie bringen? Nimmermehr! „Der Veitl is unschuldig! " sagte Leni, obgleich er schwieg. ,,Führts mich zum Martl - ich will ihm die Sünd' abbitten - dann sperrts mich ins Gefängnis! " 11Zum Martl 1 Zum Martl! " drängte es von allen Seiten und wohl oder übel mußte der Gendarm nachgeben. Der wundkranke Meierhofsohn lag schon im Schlummer, als der ganze Volkshaufe vor dem Hause ankam. Die Eltern wollten erst niemanden einlassen - der Arzt hätt's streng verboten; als sie aber hörten, worum es sich handelte, daß Veitls Unschuld auf dem Spiele stand, daß Leni sich selbst so fürchterlich angeklagt, da widerstreb ten sie nicht länger. Rasch hatte sich die klein e Stube gefüllt mit denen, die auf den Zehenspitzen eingetreten waren und mit gezogen en Hüten um das Bett standen. Eine rote Ampel verbreitete sanftes Licht im Zimmer und zauberte den rosigen w ·angen des Kranken, zu dessen Häupten seine treue Pflegerin Vroni stand. Als Leni das bleiche Antlitz Martls erblickte, sank sie mit h eftigem Schluchzen an seinem Bette nieder und benetzte mit ihren Tränen seine Hand. Darüber erwachte der Leidende für eine Minute zu vollem Bewußtsein. ,,Martl", sagte der Höhbauer, „Martl, ich bitt' dich, red' wenns kannst! Wer hat dich verwund 't? Der Veitl? Wer sonst? Red'!" „Hennes!" flüsterte der Kranke fast unhörbar. Dann schwanden ihm die Sinne wieder. Mit einem Jubelruf umschlang Veitls Mutter den wiedergefundenen Sohn. „Schau, Muatterl", stammeite er jetzt, ,,ich hab' halt damals droben an der Wand a, Bergwiesel g'schos64 .· sen, weil ich g'meint hab ', mit dem seinem Blut könnt ' ich die Leni behexen! Dabei hat mich der Hennes überfallen, hat Geld und Uhr von mir wollen - sonst zeigt er mich we-· gen Wildems an! Wir haben g'rauft! Ich bin ihm auskommen! Aber den Martl wird er halt, weil's der mit~ngeseh'n hat, über d' Wand 'runter-· g'worfen haben!" Schaudernd lauschten die Leute dieser Enthüllung. Den Hennes aber und seinen Vater - den alten Klaus - fand keiner mehr. 9. Kapitel Fünf Jahre später war's. Im Herbst_ abendgold auf der Höhe hinter dem Meierhof saß der längst gen esen e junge Meierhofer mit Vroni, seiner blühenden Frau und dem vierjäh1igen Stammhalter, den sie ihm geschenkt hatte. Die Großeltern sah en glücklich: dem Spiele des Kleinen zu. Da kam von fern ein Jauchzen und Jodeln über die Felder h er. „Wahrh aftig !" rief Martl, de.r die Augen mit der Hand beschattet hatte. „Der Veitl ist's ! Und diesmal endlich kommt er nicht allein vom Kloster zurück - die Leni ist bei ihm! 11 „Go tt sei Dank!" murmelte seine Mutter. ,,Die fünf Jahre im Kloster hat sie genug gebüßt und sie darf ihn schon endlich erhören - er hat's redlich verdient um sie !" Alle schritten dem Paar entgegen, hinter dem der Höhbauer vergnügt schmunzelnd nachfolgte. · Als man sich nahe gekommen war, trat Leni vor. ,,Grüß Gott beieinand! " sagte sie schlicht und sah offen ohne Scheu empor. ,,Der Veitl hat mich g'holt! Ich will ihm ein treues , bra-· ves Weib sein! Ich h ab' viel ari ihm gut zu machen! So viel wie an euch!' Wenn das nicht wär', wär ich im Kloster blieben! So n ehmts mich halt freundnachbarlich auf, bis ich's euch beweisen kann, daß ich einen redlichen Willen und ein gutes Herz hab ' , und daß die andere tot is und verschwunden - die ,Tot bete r i -n'! "

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