Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1981

Martl hielt erstaunt inne. ,,Wilderer)" murmelte er. Da wurden ein paar Stimmen laut. Ein hastiges Hin- und Widerrufen, ein Begehren und Verweigern, ein Ringen, ein Kampf - Martl, dessen scharfe Augen den dichten Nebel nicht zu durchdringen vermochten, hatte aber wohl jedes Wort derer unten verstanden und stieß einen drohenden Zuruf aus . Noch ein kurzes, heftiges Geräusch - dann ward es still. Aber nur für ein paar Sekunden. Dann schlich etwas gegen die Wand her und kletterte mit katzenar tiger Geschwindigkeit empor. Martl war im Absteigen gerade auf einem Felsvorsprung angelangt, der just Platz genug bot, daß ihrer zwei auf ihm stehen konnten. Da traf hier der andere mit ihm zusammen, der heraufgeklornmen war, um zu sehen, wer ihn belauscht hatte, und ob der ihn verraten konnte und wollte. -Einige scharfe Worte flogen hin und zurück - dann ein Fassen, ein Heben - ein Sturz - ein Schrei - Wieder war es totenstill an der Bergwand. Nur von oben her ging's wie lachendes Höhnen des Bergunholds durch die Nebel. 5. Kapitel Ein h errlicher Herbstsonnentag folg_ te auf die geschilderte Nacht. Früher ,als gewöhnlich trieb der leuchtende Flammenstrahl von oben die Nebel aus dem Tal an den Hängen empor - ein munterer Septemberwind fuhr darein und zerzauste sie und ihre ßatternden Züge flohen allerorten an die Gipfel auf, wo sie langsam im funkelnden Morgengolde zerrannen. Die Bäuerin vom Meierhof, Martls Mutte,r, war eine rüstige Frau mit ebenmäßigen, klugen und freundli- ,chen Mienen, ging im ganzen Hof :umher, ihren Mann zu suchen. Sie .hatte ein ernstes Wort mit ihm zu ,sprechen, Martls wegen. 1• Ihr Sohn war von Jugend an gewöhnt, in seiner Mutter die Vertraute 52 aller seiner Wünsche und Gedanken zu sehen. So hatte er auch gestern Abend gleich nach ,seiner Heimkunft sie in der Weinblattlaube aufgesucht und ihr den Umschwung der Dinge - seinen Bruch mit der Höhbauern_ tochter, sein Versprechen mit der ·armen Vroni - eingestanden. Daß er seiner Mutter damit eine schlaflose Nacht bereitete, wußte er wohl freilich nicht. Die Gute kannte den harten Bauernkopf ihres Mannes nur zu gut - seinen Stolz auf Haben und Erwerben - sein Zusammenhalten mit den andenm Vermöglichen und sein hoffärtiges Erwarten, daß der einzige Sohn auf solchen Grundsätzen weiter bauen und fort erwerben würde. Ihr selber war ja der Gedanke, die Höhbauern - Leni zur Schwiegertochter zu - bekommen, nie ein herzerwärmender gewesen. Das eitle, gefallsüchtige Dirndl war ihr nicht gut genug für ihren Sohn, während sie oft schon - früher, wenn sie so still beobachtete - sich im tiefsten Herzen drinnen gesagt hatte: Die Vroni - das wär' eine, die ihm einmal die Mutter ersetzen, die ihn so gapz selbstlos und echt lieben könnte, wie , er's verdiente. Aber wie das dem Alten beibringen! Sie seufzte tief auf. Das war ein Stück ureigenster Mutterarbeit - davon nahm ihr keiner was ab. Aber jetzt gleich sollte es geschehen! Bei dem Suchen n ach dem Manne geriet sie auch hinter den Hof, wo aus dem Blumengärtlein hinaus ein Feldweg auf die Anhöhe führte. Richtig, dort oben unter dem Lindenbaum saß der Bauer und sah in stolzer Besitzesfreude in das sonnendurchleuchtete Land hinunter, das weit hinaus ihm gehörte. Die Bäuerin brach im Vorübergehen ein Rosenknösplein vom Stock und schritt langsam den Hügel hinan. Je näher sie ihm kam, desto schwerer wurde ihr das Herz. Da spricht man nur von Mannesmut. Als ob Mütter nicht oft noch stärkeren Mut haben müßten. Jetzt stand sie neben ihm und legte ihm das Blümlein auf die

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