Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1981

letzten Wochen das freie Aufschnaufen behindert hatte. Weil es die beiderseitigen Eltern gern gesehen hätten, wenn Martl und Leni ein Paar geworden wären, war's den beiden jngen Leuten doppelt leicht gefallen, sich sonntags bei der Tanzmusik im Dorf oder in der Nachbarschaft zusammenzufinden. Sie hatten aneinander Gefallen gefunden, und nun gerade sechs Wochen war's her, daß sie einander ihre Liebe gestanden hatten. Aber von da ab war's als fiele eine Binde von Martls Augen. Wenn er vorher gehofft hatte, Leni würde - sobald sie sich erst einmal ausgesprochen und einander Treue gelobt hätten - das Blinzeln und Schauen nach den anderen, das Kokettieren und Scharmutzieren mit den übrigen bleiben lassen, so hatte er sich getäuscht. Wo sie ging und stand, muß.te sie die erste sein, und alle mußten ihr huldigen. Ihre Hoffahrt gab's nicht zu, daß in ihrer Gegenwart ein Bursche ein anderes Dirndl schön fand - und um sie alle an sich zu fesseln, verschwendete sie nach wie vor die Künste, welche Eitelkeit und Gefallsucht dem schönen Mädchen eingaben. Je mehr er das beobachtete, desto tiefer empörte sich Martls stolzes Wesen dagegen. Er wollte sein Mädchen für sich allein besitzen, mit jedem Blick, mit jedem Gedanken. Immer mehr entfremdete sich ihr sein Herz, und was er für Liebe gehalten, verwandelte sich bald in Abscheu. So kam der Bruch, der ihr freilich über sich selbst die Augen öffnete und in ihr die heiße Leidenschaft, die sie für den Martl empfand, jäh und überwältigend auflodern ließ. Vor ihm aber stieg, als wäre er aus einem wüsten Traum erwacht, ein anderes Bild empor, das in den letzten Monaten und Jahren etwas zurückgetreten war. Vroni, seine Jugendgespielin, die stille, sinnige Freundin seiner Kindheit, gewann in seinen Gedanken und Wünschen den Platz, den er mit Unrecht für eine andere bestimmt ge50 halten hatte. Gerade der Fehlgriff, den er getan, brachte ihm die tiefe Neigung zur Erkenntnis, die in ihm für das schöne, stille Kind mit den träum.enden Augen schlummerte, und ehrlich. und gerade, wie er zu handeln gewohnt war, sagte er ihr alles, was geschehen und wie es geworden, was er gedacht und getan, und wie er nun erst plötzlich erkannt habe, welch.es Bild ihn seit Jahren Schritt und Tritt begleitet und sicher auch nicht mehr verlassen werde. Vroni hatte keine Herzensirrungen durchzukämpfen. Wohl war der armen Häuslerstoch.ter schon manch ein er um ihrer zarten Armut willen werbend in den Weg getreten ; aber seitdem sie angefangen, zu verstehen, was Liebe sei, war auch ihr Herz geheim, treu und unentwegt zu Martl gestanden. Er hätte dieses echte, in Leid und Stille für ihn schlagende Herz auch nicht verloren, wenn er es nie erkannt, wenn er Leni oder eine andere gefreit hätte. Vroni wäre dann ihren freudlosen Lebensweg duldend und verschwiegen dahingegangen, wie so manche Frauenseele, deren Herzensgeheimnis mit ihr unverraten zu .Grabe geht. Wie aber leuchteten ihre sanften Augen im ersten Frühlingsschimmer auf, wie jubelte und jauchzte es in dem reichen Gemüt des glücklichen Mädchens, als der Geliebte den Irrweg zurückfand - als er, auf den sie nie so recht zu hoffen gewagt, den sie nun schon verloren gegeben hatte, zu ihr kam mit der Frage, ob sie sein eigen sein wolle! ,,Als ob ich blind gewesen wäre! " murmelte Martl und blieb auf der Berghalde stehen. War er nicht just hier, wo er als Knabe, als Jüngling die schönsten Stunden mit der Vroni verbracht hatte, wenn sie, von den Almen heimkehrend, oder zu ihnen hinansteigend auf einem Baumstumpf ruhten, dem Bergwaldsang ·der Vögelein, dem splringendem Quell, den zirpenden Grillen und summenden Bienen lauschten, wenn sie sich Blumenkränze wanden und Waldsagen erzäh_lten , jeden Augen-

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