Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1981

Das junge Korn deckte ihn gut gegen das Haus hin, als er gegen die Buchen hinauflief. Die hol1en Buchen waren ein e gute Wegweistmg, damit er sich er wieder aus dem Wald zurückfand. Oben b1ütete über dem Waldschlag eine dumpfe Nachmittagsstille. Florian war ganz stumm geworden. Es war doch eine große Sache, ganz ' allein einem finsteren Wald entgegenzuschreiten, denn man noch nie betreten hatte! Immer aufwärts wollte er gehen, bis sich der Wald nmdum senkte. Dann stand er auf dem höchsten Platz, und die Welt mußte sich vor ihm in nie geschaute Landschaften auftun. Dort wollte er sich auf dem moosigen Boden hinwerfen und alles zählen, was er entdeckt hatte: Die Dörfer, die Seen, die Berge ! Allmählich verlor der Bub alles Zeitgefühl! Er hatte soviel im Gehen zu horchen und zu überlegen, und endlich stellte er fest, daß sich der Waldboden nun nach jeder Seite hin senkte. Aber die Waldhöhe enttäuschte ihn grausam. Dichter Stangenjung_ wald, gemischt aus Eichen und Buchen, verdeckte jede Aussicht. Etliche Schritte abwärts wuchsen junge Buchep.stangen. Ihre Wipfel schwankten fast haushoch über dem Boden. Von dort müßte er über den tieferen w_ ald 'schon ihinwegblicken können! Er lief hinab und umschlang einen schmalen Stamm. Er spuckte sich in die Hände, schlug die Arme um das Stämmchen und preßte seine Schenkel an die glatte Rinde. So erklomm er langsam das dünne, schlanke Bäumchen. Als Florian den Kopf zwischen den letzten Zweigen hindurchstieß, da wurde er starr vor Staunen! Die ganze Nordseite des Berges war mit Wald bedeckt. Von tief unten grüßten die ersten Dörfer herauf, die Felder lagen hingebreitet wie bunte Tücher, die Mutter zum Trocknen in die Sonne -gelegt hatte. Weiter: draußen floß da's Land zu einer Ebene auseinander, die .weit in der Feme ·an den Himmel stieß. ,36 Jetzt gehörte diese Unendlichkeit ihm, wie alles, was Florian sah, wurde stets auf geh eimnisvolle Weise sein Eigen! Das Selbstgefühl des Buben schwoll mächtig an. Der Wipfel der Buche schwankte leise unter seinem Gewicht. Jetzt schwang Florian in seinem Übermut selber mit, daß die Zweige der anderen Bäume an ihm vorbeihuschten. Er sang dabei laut, und sein Glück war _unbändig. Er griff nach den ' entferntesten Wipfeln. Wenn er ihnen nahe war, zog er sie h eran und stieß sie wieder los. Weit schwang er hinaus. Da geschah es, daß sich der Wipfel, auf dem er saß, nicht mehr emporhob. Es splitterte der Stamm auf und mit einem Aufschrei stürzte das Kind in die Tiefe. Als Florian aus der kurzeLJ. Betäubtmg wieder zu sich kam, fuhr er empor. Wo befand , er sich überhaupt? Im nächsten Augenblick sank er mit einem Wehlaut wieder zurück. Er konnte sich nicht mehr ·erheben. Im Knöchel bohrte ein stechender Schmerz. Leise begann das Kind zu weinen. Seine schireckliche Lage erkannte Florian erst nach und nach. Ich kann nimmer heimlaufen! Niemand weiß es, wo ich bin - und dann kommt die Nacht! Das Kind versuchte, sich kriechend fortzubewegen. Langsam erreichte Florian die Höhe wieder, von der er so fröhlich herabgelaufen war. Der Schweiß brach ihm aus allen Poren. Der Fuß schwoll an, und der geringste Druck jagte ihm ganze Schauer durch den Leib. Ächzend ließ er sich wieder sinken. Als er weiterkriechen wollte, da konnte er auch das nicht mehr. Florian blieb eine ganze Weile ganz stumm. Er lauschte auf den Wind, der gelassen über die Gipfel hinwanderte. Auch Vogellaute wurden wieder wach, ein Rabe krächzte, ein Häher schrie. Als seine Not und Qual am höc:4ste;n wa_r, .da schrie Florian: 11Mutter, Mutter!" - -

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