Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1980

Die unverzollte Hose Von Kctrl Sprin.genschmicl Aerger genug macht uns diese Gren– ze, also soll man uns auch die kleinen Freuden göm1en, die sie hin und wie– der bringt. - In den Jahren, da der Schilling schon sicher auf zwei Beinen stand, während sich die Mark noch in ätherischen Hö– hen bewegte, war es unter uns Sitte geworden, mit dem schlechtesten An– zug nach München zu fahren, um sich dort einen besseren anzuziehen. Also tat auch mein Freund, in unserer Stadt allgemein der 11schöne Martin" ge– nannt, obwohl er es von uns allen am wenigsten not gehabt hätte, da er un– mittelbar vor dem Entschluß stand, in ein Konfektionsgeschäft einzuheira– ten. Knagge & Peitz legten ihm vor. Martin ließ seine Branchenkenntnisse spielen, trotzdem er kaum mehr im– stande war, Kammgarn von Tweed zu unters.cheiden; denn das Bier war trotz der schwachen Mark bereits von be– achtlicher Stärke, jedenfalls viel zu stark für seine schwachen Veirhält– nisse. Das dunkle Jackett, sehr apart, stand bereits fest, nur die Hose war noch umstritten: Beigefarben oder hechtgrau mit cremehellen Streifen? Also Geschmacksfrage. Andererseits mußte man an die Hochzeitsreise den– ken. Die hellen Streifen waren zu we– nig seriös. Aber wie kurz ist so eine Reise! Und was dann, wenn die Hose zu seriös ist? Inzwischen fand sich eine O',riginelle Krawatte. Blau mit gelben Tupfen. Eine Hose soll nie zu hell sein. Helle Hosen wirken wie som– mersprossige Männer, unmännlich. Die Wahl war schwer. Hingegen ent– sprach das Halstuch, meergrün mit sepiabratmem Muster, völlig seinen Erwartungen. Nur die Hose! Uebri– gens gab es bereits wieder friedensmä– ßigen Gummi für Hosenträger. Aber 46 nun war es höchste Zeit zum Zuge Beim letzten Pfiff auf das Trittbrett - und auf gingts. Zwischen Traunstein und Teisen– dorf- es hatte sich für solche Ausflüge ins Nachbarland bereits ein bestimm– tes Zeremoniell ausgebildet, - ver– schwand Martin, noch leicht benom– men, hinter der kleinen Türe, um je– nen köstlichen Wandel an sich zu vollziehen, der zu den seltenen Freu– den zählt, die uns die geographische Lage beschert. Nicht ohne Mühe befreite er sich von Rock und Hose, was bekanntlich schon im nüchternen Zustande ein Gleichgewichtsproblem bedeutet. Dar– auf öffnete er das Fenster. Er sah den alten, graubärtigen Bahnwächter von Teisendorf, wie er eben bekümmert an der Schranke drehte. Wieviel tau– send-, nein zehn-, vielleicht hundert– tausendmal dreht so ein Mensch Zeit seines Lebens immer die gleiche Schtanke? Mitleid überwältigte ihn, tmd entschlossen warf er den Rock und die Hose zum Fenster hinaus, obc wohl dies sonst nicht zu der üblichen Zeremonie des Kostümwechsels gehör– te, nachdem man in der Regel mit dem alten, abgewetzten Anzuge unter dem Arme anzukommen hatte. Einer jähen Eingebung folgend, rief Martin jenes Wort der Hose nach, das er ein– mal irgendwo vernommen hatte : 11Nimm vorlieb damit, mein notlei– dender Bruder!" Sodann begann er mit geschickten Fingern, die er sich in der Herrenkon– fektion erworben hatte, das dunkle Jackett aus der rosafarbenen Umhül– lung zu heben, ein Anblick, der in ihm neuerdings einen Ruf des Entzückens auslöste. Darauf entnahm er dem Pa– kete die blaugelbe Krawatte, das meer– grün-sepiabraune Halstuch, den Ho– senträger ...

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