Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1980

Kriminalerzählung von Richard Hofbauer Eine große Menschenmenge stand .auf einem der asphaltierten Wege im :Bois de Boulogne und starrte neugie– rig hinüber zu einem mit Weiden be– wachsenen Fleck, bei dem die Mord– kommission amtierte. 11Diese Frau wurde mit ihrem eige– nen Schal erdrosselt", meldete gerade Inspektor Nante seinem eben erst ge– kommenen Vorgesetzten, Kommissar Grande. 11Spuren konnten wir leider keine sicherstellen, da vor unserem Eintreffen schon eine Schar Neugieri– ger hier umhergestanden ist". Kommissar Grande sah sich auf– merksam die Tote an, die ungefähr 55 Jahre alt sein mochte und vornehm gekleidet war. Er öffnete die Krokole– dertasche, in der sich ,die üblichen Utensilien befanden. Das Portemon– naie war bis auf einige Kupfermünzen leer; in einem Seitenfach fand er eine Identitätskarte der Ermordeten: Pau– lette Saroff, 15 Rue de Boislong. 11Das ist ja ganz in der Nähe" , murmelte er und sah sich um. 11Aber ein Raubmord scheint es nicht zu sein", sagte Nante zu seinem Vorgesetzten, der eben einen blitzen– den Knopf einsteckte, ,,sonst wäre das kostbare Perlenarmband und das da– zupassende Halsband . 11Der Schmuck ist nicht echt", unter– brach ihn Grande. 11Das läßt darauf schließen, daß der Täter sein Opfer und den Schmuck gut gekannt haben und mit dessen Gepflogenheiten be– stens vertraut gewesen sein muß. Um welche Zeit ist der Mord verübt wor– den?" 11Dr. Mouil ist sicher, daß der Mord um etwa 8.30 Uhr geschehen sein muß. Das könnte stimmen, denn ein paar Minuten vor 9 Uhr fand ein alter Rentner die Ermordete". 11Kommen Sie, Nante11 1 forderte Grande seinen Assistenten auf, 11wir werden uns jetzt die Wohnung der Toten ansehen". Paulette Saroff besaß eine wunder– schöne Villa, die tatsächlich nur we– nige Minuten vom Tatort entfernt war. Nina Nusier, eine schon sehr be– tagte Dame, die als Hausdame ange– stellt war, bekam einen Schock, als sie vom gewaltsamen Tod ihrer Herrin erfuhr. ,,Ausgerechnet jetzt, wo sie so glücklich geworden wäre, muß das Unglück geschehen!" schluchzte sie. Und nun erfuhren die beiden Beam– ten, daß sich Madame Saroff erst vor zwei Wochen mit einem sehr vorneh– men und auch sehr begüterten Herrn namens Gaston de Millet verlobt hat– te und sich schon im kommenden Mo– nat verehelichen wollte. 11Da hätte sie einen sorgenfreien Le– benabend gehabt", meinte Kommissar Grande. ,,Aber wo denken sie hin, Mon– sieur !" entrüstete sich Madame Nu– sier. ,,Madame Saroff war selbst sehr reich. Bei diesen beiden Menschen war es wirklich Liebe. Sie harmonierten so wunderbar zusammen. Kein Wunder übrigens, denn im Grunde genommen waren sie beide sehr einsam; und die lieben Verwandten kamen ja nur dann, wenn sie Geld brauchten" . 11Wußten sie von dieser Verlo– bung?" 11Natürlich. Sie waren ja auch einge– laden gewesen" . 11Und wie reagierten sie? 11wollte In– spektor Nante wissen. 11Sie sparten nicht mit spöttischen, höhnischen und unpassenden Bemer– kungen, waren sehr böse und ließen deutlich fühlen, wie wenig sie mit die– ser Verbindung einverstanden waren. Sie fürchteten um ihr Erbe". Wenig später standen die beiden Be– amten Gaston de Millet gegenüber, 43

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