lieh wollte der Zeichner damit nur einen optischen Eindruck - die weite Sicht ins Gebirge - wiedergeben. Der Bau der Stadtpfarrkirche wurde von Meister Hans Puchsbaum 1443 be– gonnen; vollendet wurde der gotische Bau im Jahre 1513. In der Zeichnung der „Sehedelsehen Weltchronik", die zeitlich in ·der Mitte liegt, hat es den Anschein, als wäre der Apsisteil, dessen Dachstuhl auch bedeutend höher ist als jener des romanischen Teils, bereits gotisch erbaut. Es ist ja nicht anzunehmen, daß die Kir– che romanischen Stils zur Gänze abge– tragen worden ist, ehe die Gotisierung begann. Der bekannte Kupferstich von Hans Lautensack (1554) zeigt das Steyrer Mün– ster gänzlich in gotischer Neugestaltung ; der Turm hat bereits die achteckige Form, die für ihn kennzeichnend ist, und auch ein Spitzdach (das in der Barock– zeit mit einem Zwiebelaufbau ersetztwor– den ist) . Zwischen der Stadtansicht, die Hans Lautensack mit dem Stichel festgehalten hat, und dem „Taborblick" von heute bestehen keine grundlegenden Unter– schiede - Schloß, Brücken , Engegasse, Stadtplatz, Grünmarkt, Berggasse und Münster sind - wenn man von den bau– lichen Neuerungen absieht - unverän– dert situiert geblieben. Auch die Stadt– brände, die wüteten, und der jeweilige Wiederaufbau haben den Grundzug der Stadtanlage bestehen lassen. Sehr früh wuchs die Stadt über den ursprünglichen Kern um Stadtplatz und Berggasse über die Enns und die Steyr hinaus; das beweisen die bis heute er– halten gebliebenen gotischen Reste an der Haratzmüllerstraße und in Steyrdorf - .Badgasse, Kirchengasse (vor allem mit dem herrlichen Dunklhof) und die Häu– sergruppe am Roten Brunnen. Das Kollertor wurde 1480 erbaut, der .,Tabortu"rm", der ein Teil der Befesti– gungsanlage von Steyrdorf war, im sel– ben Jahre. Die Mauer, die vom ehemali– gen Tor in der Schlüsselhofgasse zum Tabor führte, ist im wesentlichen abge– tragen, wie das Tor selbst; in der Bad– gasse ist noch ein alter Wehrturm er– kennbar. Auch das Eckbauwerk am Wie– serfeldplatz, an dem noch ein Rundturm erkennbar war, zumindest ,bis vor weni– gen Jahren, gehörte zur Stadtbefesti– gung von Steyrdorf. Die Stadterweiterung Wieserfeld wur– de 1543 bis 1565 geschaffen; mit dem Schnallentor (1613) wurde dieser Stadt– teil abgegrenzt. Ganz wesentlich wird das Stadtbild von der Gebäudegruppe Bürgerspital und Michaelerkirche mitgeprägt. Das Bürger– spital mit einer ursprünglich romanischen Kirche wurde schon im 12. Jahrhundert erbaut und um 1300 erweitert; die Kirche selbst wurde in der Spätgotik neu ge– baut. Die Michaelerkirche hingegen ist jenes Bauwerk, das dem Stadtbild am späte– sten eingegliedert worden ist; ihre Ent– stehungszeit geht auf das Jahr 1635 zu– rück, der Bau des Schulgebäudes (Gym– nasium) wurde 1547 begonnen. In der „Werndlzeit", die in Steyr vie– les neu geschaffen, aber auch manches zerstört hat, wurde das „Gilgentor" ne– ben der Stadtpfarrkirche abgetragen; ge– schleift wurde auch die Stadtmauer an der Außenseite der Berggassenhäuser, der Graben wurde zugeschüttet, darüber die Promenade angelegt. Teile dieser Stadtmauer sind noch am Ende der Pro– menade zu finden, wo auch noch der Graben besteht; ebenso nächst dem Durchgang Berggasse-Promenade. Außer– dem ist der klobige Turm am Schulge– bäude Berggasse noch ein Rest dieser Befestigung, in anderen Teilen wurde die Stadtmauer in den Bau von Wohn– häusern einbezogen. Das Schloß Lamberg, das sich in alten Ansichten noch als gotische Burg mit vielen Erkern und Spitzdächern zeigt, er– hielt ab 1727, nach einem verheerenden Stadtbrand, der auch die Burg betroffen hat, sein heutiges Aussehen. Wie keine andere Stadt in Österreich trägt Steyr heute noch seine Geschichte zur Schau : mit gotischen Höfen, Fassa– den und Arkaden; mit Bauwerken aus der Renaissance, dem Barock, dem Ro– koko. Aus allen Epochen ist uns kost– barer Baubestand erhalten geblieben, und nur dieser prägt den unvergleich– baren Reiz, den Steyr besitzt. Alles, was später gebaut worden ist, ist historisch wertlos, weil gleichförmig und nicht ty– pisch für eine einzelne Stadt. Somit ist Steyr nicht nur in der Zäh– iung der Jahre tausendjährig geworden, sondern in der erhaltenen Bausubstanz tatsächlich eine Stadt mit großer Ge– schichte. Wie sich das Stadtbild dem Besucher zeigt, ist es seit nahezu tau– send Jahren in den Grundzügen unver– ändert geblieben. V
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