Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1976

llJUgerfohrt noch iCompostello VoM Prof. FraMz BraumaMn Von den Vo,vfahren meiner Miltter, durch Gene11ationen Bauern UJ'l!d Schm~ede, i,st außer mü11'dilicher ÜberHefeT'l11111g ein Ereignjs bis heute a'lllfg:eschrieben g-eblieiben: Die Pilgerfahrt meines UrUrgroßvate1.1s nach S·antiago de Compostella. Auf ,e,i111er großen Votlivnafel in ,der alten K;apelle unterhalb des hrsberg:es bei Zell am Moos steiht foigender Be·- richt auifgez.eichnet: Es war im Jianuar des Jahres 17 3 8. Da ;arbeitete der ailte Haiger, eim Bauier zwischen den Waldber,gen, in seiner großen Mergel:grube, um ,dieS!e :düng,erneiche Evde auf senne Fdder zu bri1ngen. Der Mergel wair hart gefroren, uirnd Stück für Stück mußte mit 1dem Krampen abgebrochen W1e11den. War erst einmal diie gefrorene Schicht weig, idann ging die Arbeit •schon leichter. Auch der Hager rncinte dies und schürfte den Me11g,el aus einer tiefen Einhöh1m]g an seiner haushohen GrUlbe. Er dachte nicht ,daran,, cliaß sich die weit über11a·gende, gefroiren!e Wand lö,sen und ihn dlanmter beg11alben könnte. Führte er doch schon s·eit eillJer Woche Fuhre um Fuhre weg, ohne daß etwia1 s geschehen war. So ,arbeitete er auch heute rnichtsahnend foirt, als hoch über ihm dn kleiner Riß über die gefrorene Gmbenwarnd Hef, 1 der sich zusehends er,weite:rte. Ein leises, wiarnendes Ri,esieln un!d Bröckeln hörte der Hager noch, dann rasselte plötzlich ,cliie ganze gefrorene Wand hemi,eder. Sekun:den1ang starrte der alte Manu nach oben, ,dann stürzte aUeis um ihn zwsammen in schwa:rz;e Finsternis. Der jähe L~1ftdruck warf ihn zu Boden, ,daß er ,sich vor Angst UOJJd Schmerz z.u e'in;em Knäuel zusammenkrümmte. Er kotmte nichts anderes mehr denken als: Das ist mein Ende! Aber - ge1 schah ein Wund,er? Da~ sch11eckliche Enide, von den schweren Erdmas-sen etidrückt zu we11den. blieb aus . Wohl hatten eamg:e Steintrümmer Gesicht u11d Härnde 1 blutig ,gesd1lagen, je - doch quer über ihn hatte sich ,ein großes Stück gefrorene E11dkmste sd1räg an -die Wand ,gdegt, ·so'daß der nachroUeDJde Mergel ihn nicht e1.1driicken ko'l11flte. Als sich der erste lähmmde Sduecken gdegt hatte, bega111.n der Ha·ger s•einen Schutzraum ab:wta,sten. Eirte Sp.an.J11e gings hoch hin1auf über seinen Kop,f, dann stieß er an di.e hartgefrorene fade .. Jetzt istr,eckte er d'ie Füß,e aUls; auch hier fühlte er bald ,die schrä:g vor ,ihm liegende Wa'llJd. Link<s u,rnd r.echts von ihm w:ar !die Kruiste i,n Arm'länge entfe:rnt eingebrochen, mild lang~am -drückte hi-er die Erde nach. Für einen kurzen Augen:bl'ick sti.eg: ihm eine heiß•e Freude über 1d<i<e wu:n-· derbare Besrnirtnu1rtg 1auf. Aber bald erkanmte er mit n,i,e,dJerschmetter111dier Deutlichkeit die tödl'iche Gefahr seiner Lage. Konnte nicht ,der schützende Erdwall unter 1 der Last, die darauf lag, 111achge:ben u'llld einknicken? Oder mußte er rnid1t vieUeicht in weniigen Sturuden ,schon ,ersticken? Eisige Kältie urnd tld,e Finster1üs umgab ihn. Jeide,s Stück Ende unter ihm war steill1hart g,elfroren. Von der Außenwelt, die ihm so nalhe md doch nun unerreich:bar war, venmhm <der V,erschiittete keinen Laut . Ein Gebet, wiie er noch keines in seiinem Leben gef!eiht hatte, keuchte er über die Lippen. In einem v,erz;w,eifelten Einfall gelobte •er, wenn er gerettet würde, eine Pil,g,eueise zum Grabe des heiligen Apostels J,akobus nach Compoistella in Spannen zu machen. Santiago de Compostella war ,seit J,aihrhunderten das ganze Mittelalter hi1t11durch die berü,hmreste Waillfahrt Europas g,ewelsen. Auf allen Straßen Deutsd1lands unJd Frankreichs begegnete m'alll einzelnen Pilgern unkl Wallfohrergruppen, staubbedeckt u'tlld sd1weigsam, die al:le nur ,ein Ziel vo,r sid1 hatten: Einr11Jal im Leben am Grabe des heiligen Jakobuis betend Erhömn:g 49

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